Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bildung und Teilhabe. Babyschwimmkurs. Leistungen auch bei Anfall von Kursgebühren anstelle von Mitgliedsbeiträgen. verfassungskonforme Auslegung
Leitsatz (amtlich)
Die Kosten für einen Babyschwimmkurs sind auch dann als Teilhabebedarf nach § 28 Abs 7 Nr 1 SGB 2 berücksichtigungsfähig, wenn insoweit keine Mitgliedsbeiträge, sondern Kursgebühren anfallen.
Tenor
1. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 08.09.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2011 verpflichtet, dem Kläger die beantragten Teilhabeleistungen zur Teilnahme am Babyschwimmkurs zu gewähren.
2. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von dem Beklagten Teilhabeleistungen zur Teilnahme an einem Babyschwimmkurs.
Der 2011 geborene Kläger lebt in Bedarfsgemeinschaft mit seinen Eltern und bezieht seit Februar 2011 Leistungen nach dem SGB II.
Am 14. Juli 2011 beantragte die Mutter des Klägers für diesen die Gewährung von Teilhabeleistungen für einen neunwöchigen Babyschwimmkurs bei der S. e.V. A-Stadt beginnend am 10. August 2011, für den eine Kursgebühr in Höhe von 45 € für Nichtvereinsmitglieder anfällt. Für Vereinsmitglieder beträgt die Kursgebühr 35 €. Aus der Beitragsordnung des Vereins ergibt sich eine Mindestmitgliedschaftsdauer von einem Jahr; für Kinder und Jugendliche beträgt die Aufnahmegebühr 5 € und der monatliche Grundbeitrag 9,50 €. Die Mutter des Klägers meldete diesen und sich selbst zu dem Babyschwimmkurs an und entrichtete die Kursgebühr in Höhe von 45 € für Nichtvereinsmitglieder.
Mit Bescheid vom 8. September 2011 lehnte der Beklagte den Antrag auf Teilhabeleistungen ab, da der beantragte Bedarf für Kursgebühren nicht unter die Regelungen des § 28 Abs. 7 SGB II falle.
Hiergegen legte die Mutter des Klägers für diesen Widerspruch ein. Sie habe trotz langer Suche gemeinsam mit der sozialpädagogischen Familienhilfe kein anderes Angebot als den Babyschwimmkurs für Säuglinge gefunden. Für das Alter des Klägers gebe es von allen Vereinen in der näheren Umgebung nur Kursangebote. Der Kläger sei leistungsberechtigt, so dass die Entscheidung des Beklagten nicht nachvollziehbar sei.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2011 zurückgewiesen. Ein Babyschwimmkurs sei mangels Unterrichts in künstlerischen Fächern oder einer vergleichbar angeleiteten Aktivität nicht von § 28 Abs. 7 Nr. 2 SGB II umfasst, sondern sei im Bereich von Sport und Spiel nach § 28 Abs. 7 Nr. 1 SGB II einzuordnen. Insoweit seien lediglich Mitgliedsbeiträge in Vereinen berücksichtigungsfähig, so dass die anfallenden Kursgebühren für das Babyschwimmen nicht unter die in dieser Vorschrift genannten Bedarfe fielen. Insoweit sei nicht entscheidend, dass kein anderes vergleichbares Angebot habe gefunden werden können.
Daraufhin hat der Kläger am 28. November 2011 vor dem Sozialgericht Darmstadt Klage erhoben und verfolgt sein auf Übernahme der Kosten für den Babyschwimmkurs gerichtetes Begehren weiter. Er verweist insoweit auf die Weisungen der Stadt A.-Stadt wonach beispielsweise ein Schwimmkurs zum Erwerb des Sehpferdchens als angeleitete Aktivität der kulturellen Bildung übernahmefähig sei.
Die gesetzlichen Vertreter des Klägers beantragen,
dem Kläger Teilhabeleistungen für die Teilnahme am beantragten Babyschwimmkurs zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen. Ausweislich des Gesetzeswortlauts seien für einen Bedarf zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben im Sinne von § 28 Abs. 7 Nr. 1 SGB II Mitgliedsbeiträge zu übernehmen. Dies impliziere die Mitgliedschaft in einem Verein. Nach der Gesetzesbegründung sei Ziel der Teilhabeleistungen unter anderem die Integration von leistungsberechtigten Kindern und Jugendlichen in bestehende Vereins- und Gemeinschaftsstrukturen, um den Kontakt mit Gleichaltrigen zu intensivieren und die soziale Kompetenz zu fördern. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut bestehe daher kein Bedarf im Sinne des § 28 Abs. 7 SGB II für einen Babyschwimmkurs, da es sich bei der Kursgebühr nicht um einen Mitgliedsbeitrag handele. Ein Kurs sei zudem darauf ausgelegt, an einer von vornherein festgelegten Anzahl von Terminen stattzufinden und habe den Zweck, Kenntnisse in einem bestimmten Bereich zu vermitteln, während eine sportliche Betätigung im Rahmen einer Vereinsmitgliedschaft hingegen auf eine dauerhafte Betätigung angelegt sei. Das Ziel einer sportlichen Betätigung im Rahmen einer Vereinsmitgliedschaft sei neben dem Erlernen einer Sportart das gemeinschaftliche Erleben in einer Gruppe. Außerdem sei ein Vereinsmitglied in der Regel auch in sonstige Aktivitäten des Vereinslebens (wie z.B. das Vorbereiten von Vereinsversammlungen und Vereinsfeiern) eingebunden, was bei einem Kurs nicht der Fall sei. Auch bei einem Kleinkind sei die Integration in die Vereins- und Gemeinschaftsstr...