Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflicht des Grundsicherungsberechtigten zur Bildung von Ansparleistungen aus der Regelleistung. Fahrtkosten nach Moskau zur Passverlängerung
Orientierungssatz
1. Der Regelbedarf nach § 20 SGB 2 dient dazu den Lebensunterhalt zu sichern. Erfasst sind ausschließlich grundlegende Bedarfsgegenstände, die ein menschenwürdiges Existenzminimum gewährleisten sollen. Der Bedarf für Fahrkosten zur Beantragung eines Passes des jeweiligen Heimatstaates ist kein vom Regelbedarf umfasster Bedarf; eine solche Terminswahrnehmung ist kein Grundbedürfnis, welches zum soziokulturellen Existenzminimum gehört.
2. Bei dem Anspruch auf Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 S. 1 SGB 2 handelt es sich um eine Härtefallregelung, die einer besonderen Bedarfslage gerecht werden und das menschenwürdige Existenzminimum gewährleisten soll. Hierzu zählen nicht die Kosten für eine Fahrt nach Moskau zur Passverlängerung.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Erstattung der Fahrkosten für die Hin- und Rückfahrt von D. nach Moskau im Zeitraum vom 1. April 2015 bis 16. April 2015.
Die Klägerin steht bei dem Beklagten in Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).
Am 23. April 2015 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Erstattung der Kosten für die Hin- und Rückfahrt von D. nach Moskau. Die Klägerin führte aus, dass sie "wegen der Extradition des Bürger-Passes nach Moskau fahren müsse". Mit Bescheid vom 5. Mai 2015 lehnte der Beklagte die Erstattung der Fahrkosten ab.
Die Klägerin hat am 2. Juni 2015 Klage bei dem Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben und ausgeführt, dass sie um Erstattung der Kosten in Höhe von 372,40 Euro bitte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2015 hat der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen und ausgeführt, dass die Klage auch als Widerspruch gewertet worden sei. Die Klägerin habe jedoch keinen Anspruch auf Erstattung der Fahrkosten. Die Übernahme von Fahrkosten für Familienheimfahrten zu privaten Zwecken oder auch für die Beantragung eines Passes im Heimatland sei weder gesetzlich geregelt noch vorgesehen. Insbesondere seien die Kosten nicht im Rahmen einer Eingliederung in Arbeit oder anlässlich einer Arbeitsaufnahme entstanden (§§ 16 ff. SGB II). Es würde sich nach Auffassung des Beklagten auch nicht um laufende, regelmäßig wiederkehrende Kosten handeln (§ 21 SGB II). Auch nach § 24 SGB II bestehe kein Leistungsanspruch. Dabei könne dahinstehen, ob diese Kosten bereits vom Regelbedarf umfasst seien. Jedenfalls könne die Klägerin hieraus lediglich ein Darlehen erlangen und eben keinen Zuschuss. Da sie die Kosten bereits gezahlt habe, würde nach Auffassung des Beklagten selbst ein Darlehen an der Notwendigkeit scheitern. Die Kosten seien auch nicht im Rahmen der doppelten Haushaltsführung absetzbar, da es bereits an dem dafür erforderlichen Erwerbseinkommen fehle.
Mit Schriftsatz vom 11. November 2015 hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie "Beschwerde" gegen den Widerspruchsbescheid erhebe. Die "Heimfahrt sei wegen des Bürgerausweises ein Bedarf, da wegen des Pass-Regimes der Russischen Föderation eine Notwendigkeit bestehe". Die Klägerin trägt weiter vor, dass sie mit 45 Jahren ihren Pass in der Russischen Föderation umzutauschen habe. Sie habe deswegen Urlaub bei dem Beklagten beantragt und diesen auch genehmigt bekommen. Der Beklagte habe daher auch die Kosten für die Reise zu erstatten.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 5. September 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin die Fahrkosten in Höhe von 372,40 Euro für die Fahrt von D. nach Moskau und zurück vom 1. April bis 16. April 2015 zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist im Wesentlichen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
1.
Die Klägerin begehrte mit der eingangs erhobenen Klage (S 32 AS 1199/15) die Erstattung der Fahrkosten von 372,40 Euro, die der Beklagte mit Bescheid vom 5. Mai 2015 abgelehnt hat. Der Beklagte hat die am 2. Juni 2015 erhobene Klage zulässigerweise als Widerspruch gemäß § 83 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gewertet (vgl. B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 84 Rn. 2). Nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2015 im laufenden Klageverfahren hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie auch weiterhin die Erstattung der Fahrkosten begehrt. Die (statistisch neu er...