Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem Opferentschädigungsgesetz

 

Orientierungssatz

1. Der Anspruch auf Versorgung nach § 1 Abs. 1 OEG setzt voraus, dass der Antragsteller durch einen vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriff eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat.

2. Im Regelfall liegt ein tätlicher Angriff bei einem gewaltsamen, handgreiflichen Vorgehen gegen eine Person vor. Eine gewaltsame Einwirkung kann aber auch bei einem psychisch vermittelten Zwang vorliegen, ohne dass es zu einer Berührung zwischen Täter und Opfer kommen muss.

3. Ist die geltend gemachte gesundheitliche Beeinträchtigung nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das angeschuldigte Ereignis zurückzuführen, so ist die Gewährung von Opferentschädigung zu versagen.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Feststellungen von Schädigungsfolgen und die Gewährung von Beschädigtenrente nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG) iVm dem Bundesversorgungsgesetz.

Die am … 1978 geborene Klägerin stellte am 23. Mai 2007 einen Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG). Die Klägerin hat zwei Kinder - ein Kind aus erster Ehe (geboren am … 1997) und ein zweites Kind (geboren am … 2000) mit dem Lebensgefährten M..

Seit 1998 lebte die Klägerin in einer Beziehung mit dem am … 1961 und am … 2010 verstorbenen M.. Im September 2006 hat sich die Klägerin von ihm getrennt und hat die Lebensgemeinschaft beendet. In der Folgezeit wurde die Klägerin von ihrem früheren Lebensgefährten Herrn M. ständig belästigt. Er spionierte ihr sowie den Kindern nach, schrieb Liebeserklärungen und entwende gelegentlich Post aus dem Briefkasten. Er beobachte alle Familienmitglieder und versuche mit allen Tricks in die Familie einzudringen. Die Klägerin legte einen Beschluss des Amtsgerichts … - Familiengericht - vom 26. Februar 2007 vor mit welchem gegen Herrn M. eine Ordnungshaft für die Dauer von zwei Monaten verhängt wurde wegen erneuter Belästigung der Klägerin. Vorgelegt wurde ein Urteil des Amtsgericht … in der Strafsache gegen M. vom 30. Juni 2008. Herr M. wurde zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt wegen einer erneuten Nachstellung und Bedrohung.

Die Klägerin teilte mit, dass sie aufgrund von Stalking psychisch stark beeinträchtigt sei, sie leide an einer mittelschweren Depression, an Schlafstörungen, Panikattacken und Unruhezuständen.

Mit dem Bescheid vom 16. Juli 2009 lehnte der Beklagte die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG ab. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem OEG seien nicht gegeben. Es fehle an einem vorsätzlichen, rechtswidrigen, tätlichen Angriff. Die Handlungen, die Herr M. seit der Trennung durchgeführt habe, fallen unter den Straftatbestand des Stalkings. Da es bei diesen Handlungen zu keinem tätlichen Übergriff gekommen ist, stelle dieses gewaltfreie Stalking keinen entschädigungspflichtigen Tatbestand dar. Reines Stalking ohne körperliche Übergriffe sei nicht unter den Tatbestand des § 1 Abs. 1 OEG zu subsumieren. Es fehle hier an der für einen tätlichen Angriff erforderlichen Körperlichkeit. Unter einem tätlichen Angriff ist ein gewaltsames, handgreifliches Vorgehen gegen eine Person in kämpferischer feindseliger Absicht zu verstehen. Gefordert werde dabei eine unmittelbar auf den Körper eines anderen abzielende feindliche Aktion ohne Rücksicht auf ihren Erfolg. Die Absicht einer körperlichen Beeinträchtigung sei erforderlich. Nach dem aktenkundigen Sachverhalt treffe dies nicht zu. Hier mangelt es allein schon am tätlichen Angriff. Ein gewaltsames Vorgehen sei in den genannten Handlungen nicht zu erkennen. Weitere Kausalitätsbetrachtungen zu Art und Ausmaß der resultierenden Gesundheitsstörungen können bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben.

Gegen den Bescheid vom 16. Juli 2009 wurde am 14. August 2009 Widerspruch eingelegt.

Mit dem Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2011 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Von einem “schweren Stalking„ sei nicht auszugehen Damit mangelt es an einem tätlichen Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG.

Am 14. Februar 2011 wurde Klage erhoben. Die massiven Nachstellungen seien als tätlicher Angriff zu werten. Zudem kam es am 26. Juni 2003 zu einem körperlichen Übergriff. Es wurde ihr das Handy aus der Hand geschlagen und Haare ausgerissen. Es seien die Voraussetzungen für die Anwendung des OEG gegeben. Die Klägerin leide infolge des Stalking an psychischen Erkrankungen.

Die Klägerin beantragt,

1. den Bescheid des Beklagten vom 16. Juli 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Januar 2011 aufzuheben,

2. den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Entschädigungsleistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist der Beklagte auf die Ausführungen in dem Widerspruchsbeschei...

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