Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Entschädigung für Dolmetschertätigkeit. Übernahme einer Kostenentscheidung vom Urkundsbeamten durch einen Kammervorsitzenden am Sozialgericht. Zulässigkeit einer Entscheidung über einen Wiedereinsetzungsantrag in Kostensachen durch einen Kammervorsitzenden
Orientierungssatz
1. Der Vorsitzende der Kammer eines Sozialgerichts kann eine kostenrechtliche Entscheidung (hier: Vergütung eines Dolmetschers), die dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle als Kostenbeamten obliegt, an sich ziehen. Der Kammervorsitzende ist dabei auch zur Entscheidung über einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zur fristgerechten Abrechnung befugt.
2. Einzelfall zur Beurteilung von Wiedereinsetzungsgründen zur nachträglichen Abrechnung von Dolmetscherleistungen (hier: wegen Anfallsleiden eines nahen Angehörigen als Hinderungsgrund bejaht).
Tenor
Die Entschädigung der Dolmetscherin D H für die Dolmetschertätigkeit im Verfahren S 2 SB 577/11 vom 14.03.2013 wird auf 315,23 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Dolmetscherin wurde im Verfahren S 2 SB 577/11 am 14.03.2013 auf Veranlassung des Gerichts tätig. Hierüber übersandte sie ihre Rechnung vom 04.07.2013. Auf deren Inhalt wird Bezug genommen. Am 04.07.2013 beantragte sie zugleich die Gewährung der Wiedereinsetzung, da ihr Sohn, der an einem Anfallsleiden leide, seit März 2013 an einer starken Zunahme der Anfälle gelitten habe und stationär in der Klinik habe behandelt werden müssen. Hierdurch habe sie die Rechnung nicht fristgerecht erstellen können.
II.
1. Der Vorsitzende zieht hiermit die Entscheidungsbefugnis unmittelbar an sich. Zuständig für die Kostenfestsetzung einschließlich der Möglichkeit positive Wiedereinsetzung zu gewähren ist an sich der Kostenbeamte (dazu unter 2.). Da die Kostenbeamtin die Verfügung vom 12.07.2013 nicht ausgeführt hat, sondern stattdessen den Vorgang in eigener Entscheidung und ohne Information des Vorsitzenden gleichsam zur Erstellung eines Rechtsgutachtens an den Bezirksrevisor beim LSG NRW, der weder zuständiger Mitarbeiter des SG Detmold noch Volljurist ist, geschickt hat, wo der Vorgang schließlich sieben Monate verblieben ist, damit der Bezirksrevisor letztlich zwei Entscheidungen ausdruckt, die vom hiesigen Kammervorsitzenden bereits im Aktenvermerk vom 12.07.2013 diskutiert worden sind, ohne jedoch auch die ebenfalls dort zitierte Entscheidung des LSG Thüringen oder gar die inhaltlichen Argumente zu diskutieren, macht der Vorsitzende nun von seinem Recht Gebrauch, die Angelegenheit gemäß Abschnitt I Nr. 4 der Organisationsordnung für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit des Landes NRW (OrgO-SGB) an sich zu ziehen, da der Dolmetscherin nicht zumutbar ist, noch länger auf ihre Vergütung zu warten. Nach Ziffer 4 der genannten Vorschrift führen die Servicekräfte insbesondere die in der Anlage 1 genannten richterassistierenden Tätigkeiten aus, sofern die Richterin/der Richter die Zuständigkeit im Einzelfall nicht an sich zieht.
2. a) Die Zuständigkeiten von Servicekräften und Urkundsbeamten am Sozialgericht sind nicht unmittelbar im Sozialgerichtsgesetz (SGG) geregelt. Vielmehr spricht das SGG wie auch die ZPO regelmäßig nur von dem "Gericht", ohne die interne Zuständigkeit oder Übertragbarkeit von richterlichen Aufgaben auf Hilfspersonen selbst zu regeln. Rechtsgrundlage für eine landesrechtliche Regelung der Zuständigkeiten von Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (UdG) ist § 4 SGG. Bei jedem Gericht wird gemäß § 4 SGG eine Geschäftsstelle eingerichtet, die mit der erforderlichen Zahl von Urkundsbeamten besetzt wird. Das Nähere bestimmen für das Bundessozialgericht das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, für die Sozialgerichte und Landessozialgerichte die nach Landesrecht zuständigen Stellen. Gemäß § 27 des Gesetztes über die Justiz im Land Nordrhein-Westfalen (JustG NRW) vom 26.01.2010 erledigen die Geschäftsstellen der Gerichte und Staatsanwaltschaften (§ 153 des Gerichtsverfassungsgesetzes) alle Aufgaben, die ihnen nach Rechts- und Verwaltungsvorschriften obliegen oder übertragen sind. Hier ist nun davon auszugehen, dass § 27 mit Gerichten die Gerichte aller Gerichtsbarkeiten meint, auch wenn er § 153 GVG zitiert und das GVG nur auf die ordentlichen Gerichte anwendbar ist, wie sich aus § 2 EGGVG ergibt. Dort heißt es: "Die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes finden nur auf die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit und deren Ausübung Anwendung". Einzige Rückausnahme von dieser Regelung ist § 17a GVG über den bindenden Ausspruch über den zulässigen bzw. unzulässigen Rechtsweg und die Verweisung. Im letzten Abschnitt des vorherigen Kapitels spricht das JustG NRW in seiner Überschrift von Bestimmungen für alle Gerichte und Staatsanwaltschaften. Das JustG NRW versteht sich also nicht als ein Organisationsgesetz nur der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Das nachfolgende 3. Kapitel ist dann allgemein mit "Beamtinnen und Beamte der Gerichte und Staatsanwaltschaften" überschrieb...