Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. GmbH-Geschäftsführer. Rechtsmacht. Gesellschaftsvertrag. lediglich schuldrechtliche Stimmrechtsvereinbarung irrelevant. nachträglich in Gesellschaftsvertrag eingefügtem Vetorecht kommt keine für Statusbeurteilung relevante Rückwirkung zu. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status der Tätigkeit eines GmbH-Geschäftsführers ist eine Stimmrechtsvereinbarung durch einen nicht notariell beurkundeten und nicht ins Handelsregister eingetragenen Gesellschafterbeschluss irrelevant.

2. Einem nach Ende des Streitzeitraums in den Gesellschaftsvertrag eingefügten Vetorecht des GmbH-Geschäftsführers gegen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung kommt keine für die Statusbeurteilung relevante Rückwirkung zu.

 

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert wird auf 8.190,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Der sinngemäße Antrag der Antragstellerin,

die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 24.02.2021 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 08.07.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.01.2021 anzuordnen,

ist zulässig, aber nicht begründet.

Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ein solcher Antrag ist begründet, wenn eine Interessenabwägung ergibt, dass dem privaten Interesse des Antragstellers an der Herstellung der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem (durch die Antragsgegnerin vertretenen) Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung der Vorrang zu geben ist. Dabei ist zu beachten, dass der Gesetzgeber grundsätzlich die sofortige Vollziehung angeordnet hat. Davon abzuweichen besteht nur Anlass, wenn im Einzelfall gewichtige Argumente für eine Umkehr des gesetzgeberisch angenommenen Regelfalls sprechen, d. h. besondere Umstände vorliegen, die ausnahmsweise das Privatinteresse des vom Verwaltungsakt Belasteten in den Vordergrund treten lassen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Aufl. 2008, vgl. auch Keller a.a.O., § 86b Rn 12 c m.w.N.). Ein wesentliches Kriterium bei der Interessenabwägung ist die nach vorläufiger Prüfung der Rechtslage zu bewertende Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs in der Hauptsache (§ 86 b Rn 12, 12 e; Berlit, info also 2005, S. 3, 6; Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Aufl. 2008, S. 92), wobei beachtet werden muss, dass für die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes ein besonderes Interesse erforderlich ist, das über jenes hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt (BVerfG, Beschluss vom 30.10.2009, 1 BvR 2395/09).

Hat die Hauptsache offensichtlich Aussicht auf Erfolg, ist die aufschiebende Wirkung in der Regel anzuordnen, weil am Vollzug eines rechtswidrigen Bescheides in der Regel kein öffentliches Interesse besteht (Keller, a.a.O., § 86b Rn 12 f). Bei einem als rechtmäßig zu beurteilenden Bescheid hingegen ist das öffentliche Interesse am Vollzug regelmäßig vorrangig. Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, d. h. ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, so ist jedenfalls in Fällen, in denen wie vorliegend, existenzsichernde Leistungen in Frage stehen und damit die Wahrung der Würde des Menschen berührt wird, eine Folgenabwägung vorzunehmen, die auch Fragen des Grundrechtsschutzes einbezieht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05 Rn 25, 26, 29 in Breith 2005, 803 ff.).

Der Antrag ist zulässig, insbesondere statthaft. Rechtsbehelfe gegen Beitragsbescheide prüfender Rentenversicherungsträger nach § 28p Abs. 1 Satz 5 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) haben weder in unmittelbarer noch in entsprechender Anwendung des § 7a Abs. 7 Satz 1 SGB IV aufschiebende Wirkung (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12. August 2019 - L 8 BA 129/19 B ER -, Rn. 4, juris m.w.N.).

Er ist jedoch nicht begründet. Es spricht weit mehr dafür als dagegen, dass die Antragsgegnerin mittels der streitigen Bescheide zu Recht Gesamtsozialversicherungsbeiträge i. H. v. 32.760,00 EUR, und auch unter dem Gesichtspunkt einer unbilligen Härte war eine aufschiebende Wirkung der Klage gegen sie nicht anzuordnen.

Die Bescheide sind zunächst formell rechtmäßig. Insbesondere hat die Antragsgegnerin die Antragstellerin vor dem Erlass nach § 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) angehört.

Nach § 28e Abs. 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die bei ihm Beschäftigten, d. h. die für einen versicherungspflichtigen Beschäftigten zu zahlenden Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung (§ 28d Sätze 1 und 2 SGB IV), zu entrichten. Der Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegen Personen, ...

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