Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Verfahrensgebühr. Mittelgebühr. Vorliegen eines Durchschnittsfalls. kein Berücksichtigung von Synergieeffekten im führenden Verfahren
Orientierungssatz
1. Die Mittelgebühr ist der nach § 14 RVG angemessene Betrag, wenn als Ergebnis aller nach dieser Vorschrift anzustellenden Erwägungen die Feststellung zu treffen ist, dass es sich um einen Durchschnittsfall handelt (vgl LSG Essen vom 30.4.2003 - L 4 RJ 94/02).
2. Ein Abweichen von der Mittelgebühr ist bei einem Durchschnittsfall nicht zulässig (vgl LSG Essen vom 11.8.2004 - L 4 B 9/04 RJ).
3. Die Gebühr im führenden Verfahren ist stets so zu bemessen, als ob der Rechtsanwalt nur dieses eine Verfahren betrieben hätte. Für den Fall, dass er weitere gleichgelagerte Klageverfahren geführt hat, ist einzelfallbezogen zu prüfen, in welchem Umfang von einer Arbeitserleichterung auszugehen ist (vgl LSG München vom 2.12.2011 - L 15 SF 28/11 B E). Dies könnte anders zu beurteilen sein, wenn in ähnlich gelagerten Sachverhalten nahezu zeitgleich Klage mit nahezu identischen Klagebegründungen und im Weiteren nahezu identischen Schriftsätzen erhoben wird.
Tenor
Auf die Erinnerung des Erinnerungsführers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 17.11.2015 geändert und die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 630,70 EUR festgesetzt. Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Festsetzung von aus der Staatskasse zu zahlender Vergütung im Rahmen bewilligter Prozesskostenhilfe streitig.
Im Ausgangsverfahren (Az. S 6 AS 1646/14) wandte sich die dortige Klägerin, der Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt T beigeordnet wurde, gegen eine Minderung ihres Arbeitslosengeldes II um 30% für drei Monate. Das dortige beklagte Jobcenter hatte ihr die Leistungen entsprechend gekürzt, da die dortige Klägerin keine Bewerbungsbemühungen nachgewiesen hatte. Dies entschuldigte die dortige Klägerin mit gesundheitlichen Problemen. Gute drei Monate nach Klageerhebung erhob die dortige Klägerin zwei weitere Klagen (Az. S 6 AS 10/15 und S 6 AS 11/15), mit der es um weitere Sanktionen ging, gegen die die dortige Klägerin sich mit derselben Begründung zu Wehr setzte. In den drei Verfahren führte das Gericht am 30.09.2015 einen Verhandlungstermin durch. Im Verfahren S 6 AS 10/15 gab der dortige Beklagte ein Anerkenntnis ab, in den beiden anderen Verfahren erging jeweils ein klageabweisendes Urteil.
Am 26.10.2015, korrigiert durch Schriftsatz vom 11.11.2015 beantragte der Erinnerungsführer Kostenfestsetzung unter Hinweis auf eine Abtretung der Kostenerstattungsansprüche durch Herrn Rechtsanwalt T an ihn. Er machte dabei folgende Positionen geltend:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 300,00 EUR Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 280,00 EUR Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV RVG (19 %) 114,00 EUR Endsumme 714,00 EUR
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17.11.2015 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die dem Erinnerungsführer aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 511,70 EUR fest. Sie begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Verfahrensgebühr lediglich in Höhe von 200,00 EUR festzusetzen sei. Dies folge aus Synergieeffekten wegen drei paralleler Verfahren. Gleiches gelte für die Terminsgebühr (210,00 EUR), da die Verfahren gemeinsam verhandelt worden seien.
Mit derselben Begründung setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in den Verfahren S 6 AS 10/15 und S 6 AS 11/15 entsprechend reduzierte Gebühren an.
Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17.11.2015 hat der Erinnerungsführerin am 24.11.2015 Erinnerung eingelegt.
Der Erinnerungsführer ist der Ansicht, dass die Ansetzung einer Verfahrensgebühr in Höhe von lediglich 210,00 EUR rechtsfehlerhaft sei. Synergieeffekte entstünden, wenn bei einem Verfahren aufgrund der Vorbefassung in einem anderen, nahezu identischen Verfahren die anwaltliche Tätigkeit nach Arbeits- und Zeitaufwand aufgrund der Vorbefassung deutlich verringert sei. Für das arbeitsintensivere Ausgangsverfahren sei notwendig keine Synergie gegeben. Die Synergie in Bezug auf die Verfahrensgebühr in den Verfahren S 6 AS 10/15 und S 6 AS 11/15 werde in den dortigen Verfahren berücksichtigt und die entsprechende Kürzung akzeptiert.
Die Erinnerungsführerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Gebühren und Auslagen unter Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 17.11.2015 unter Berücksichtigung der Mittelgebühr nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 300,00 EUR festzusetzen.
Der Erinnerungsgegner beantragt schriftsätzlich, die Erinnerung zurückzuweisen.
Der Erinnerungsgegner verweist auf die seiner Auffassung nach zutreffenden Ausführungen im Kostenfestsetzungsbeschluss.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstan...