Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegeversicherungsbeitrag. Rentner. alleinige Beitragstragung verstößt nicht gegen Verfassungsrecht
Orientierungssatz
Die Neuregelung des § 59 Abs 1 S 1 SGB 11 ab 1.4.2004 verstößt nicht gegen Art 2 Abs 1, Art 3 Abs 1, Art 14 Abs 1 und Art 20 Abs 3 GG.
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin von der Beklagten die Übernahme des hälftigen Beitrages zur gesetzlichen Pflegeversicherung beanspruchen kann.
Die ... 1943 geborene Klägerin war von 1957 an überwiegend als Arbeiterin bis zum 11.07.1995 versicherungspflichtig beschäftigt. Es folgten Zeiten der Arbeitsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit, seit dem 01.02.2001 bezieht sie von der Beklagten eine Rente wegen voller Erwerbsminderung und ab dem 01.01.2003 eine Hinterbliebenenrente. Sie ist seit dem 01.12.1995 in der sozialen Pflegeversicherung pflichtversichert. Bis zum 31.03.2004 erhob die Beklagte auf die Rente der Klägerin den halben Beitrag zur gesetzlichen Pflegeversicherung in Höhe von 0,85 % und übernahm selbst die Zahlung der anderen Beitragshälfte.
Ab dem 01.04.2004 erhob die Beklagte entsprechend der gesetzlichen Neufassung des § 59 Abs. 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XI) durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) und anderer Gesetze vom 27.12.2003 den vollen Beitragssatz zur gesetzlichen Pflegeversicherung in Höhe von 1,7 %, worüber sie unter dem 08.03.2004 einen Bescheid erteilte.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und vertrat die Auffassung, die Erhöhung des Pflegeversicherungsbeitrages führe zu einer faktischen Kürzung ihrer Rente und stelle eine Verletzung des Eigentumsschutzes und in diesem Zusammenhang einen Verstoß gegen den rechtsstaatlichen Vertrauensgrundsatz dar. Die Tatsache, dass andere Versichertengruppen weiterhin lediglich den halben Pflegeversicherungsbeitrag zu leisten hätten, lasse zudem erhebliche Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz aufkommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.08.2004 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und verwies auf den Inhalt der gesetzlichen Neuregelung des § 59 Abs. 1 SGB XI. Als Sozialleistungsträger sei sie verpflichtet, die geltenden Gesetze zu beachten und auszuführen.
Am 06.09.2004 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Zur weiteren Begründung führt sie im Wesentlichen aus, hinsichtlich der Verpflichtung der Rentenversicherungsträger, Beiträge oder Zuschüsse für die Pflegeversicherung der Rentner zu leisten, bestehe eine geschützte Rechtsposition der Versicherten, die dem Schutzbereich des Art. 14 Grundgesetz (GG) zuzuordnen sei. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in seinem Urteil vom 16.07.1985 (BVerfGE 69, 272, 299ff) eine solche geschützte Rechtsposition für den Bereich der Krankenversicherung der Rentner bejaht, dieser Fall sei mit dem vorliegenden vergleichbar. Sie habe bis zum Beginn ihrer Rente durch regelmäßige Beiträge die gesetzliche Rentenversicherung finanziert und zur Bewältigung der Lasten der Pflegeversicherung beigetragen. In der Erwartung, sie werde im Alter von den Vorzügen der Pflegeversicherung profitieren und es werde insoweit eine Äquivalenz eigener Leistungen eintreten, habe sie diese Belastung während ihrer Erwerbsphase hingenommen. Die Neuregelung des § 59 SGB XI stelle einen enteignenden Eingriff dar, denn durch die Anordnung der vollständigen, ersatz- und übergangslosen Streichung der bisherigen Regelung, habe der Gesetzgeber entsprechendes Eigentum vernichtet und nicht nur in seinem Inhalt und mit seinen Schranken neu definiert. Dieser Eingriff sei auch nicht aus Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt. Die von dem Gesetzgeber genannten Ziele der Stabilisierung der finanziellen Grundlage der Sozialversicherung und die Herstellung von Generationengerechtigkeit könnten ihr Eigentumsrecht nicht auf verhältnismäßige Art und Weise beschränken. Die Beitragsstabilisierung sei ein rein politisches Ziel und diene nicht der Allgemeinheit, sondern einseitig der Entlastung der Erwerbstätigen und Arbeitgeber. Aufgrund der von ihr erbrachten Vorleistungen habe sie ein Anrecht darauf, dass die Sozialversicherung - trotz der bestehenden finanziellen Probleme - für ihre Begünstigung in der Pflegeversicherung einstehe. Die Argumentation des Gesetzgebers, die heutige Rentnergeneration habe sich nicht sehr lange an den Aufwendungen beteiligt und mangels Finanzierbarkeit sei deren Belastung nunmehr ähnlich jener der Aktiven auszugestalten, die durch Verzicht auf einen Feiertag zur Finanzierung der Pflegeversicherung beigetragen hätten, überzeuge nicht. Bei Einführung der Pflegeversicherung habe der Gesetzgeber Rentenbezieher und auch die damals bereits Pflegebedürftigen in die Pflegeversicherung einbezogen, diese politische ...