Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Kosten der Unterkunft und Heizung. Anerkennung von Unterkunftskosten bei einem Mietvertrag unter nahen Angehörigen
Orientierungssatz
1. Bei einem Mietvertrag unter nahen Angehörigen können die Mietforderungen nur dann als Kosten der Unterkunft im Rahmen der Leistung zur Grundsicherung für Arbeitsuchende anerkannt werden, wenn tatsächlich eine Mietzahlung regelmäßig zu leisten ist. Daran fehlt es, wenn der Vermieter es über einen längeren Zeitraum unterlässt, einen ausstehenden Mietzins ernsthaft geltend zu machen.
2. Einzelfall zur Beurteilung des Vorliegens eines wirksamen Mietvertrags bei einem Mietverhältnis unter nahen Angehörigen im Rahmen der Gewährung von Grundsicherungsleistungen (hier: Scheingeschäft bejaht).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung (KdU) nach § 22 Absatz 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) im Zeitraum vom 01.02.2015 bis zum 31.07.2015 hat.
Der am 00.00.1988 geborene Kläger beantragte am 02.05.2015 die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Im Antrag gab er an, dass er in der I straße 00 in 00000 M wohne und dass ihm Kosten für die Unterkunft und Heizung entstünden. In der Anlage "KdU" führte er aus, dass die Grundmiete monatlich 320 EUR betrage. Nach der vorliegenden Ummeldebestätigung der Stadt M erfolgte der Einzug des Klägers in die I straße 00 am 07.11.2014. Der von dem Kläger als Mieter und seiner Mutter Frau S F als Vermieterin unterschriebene Mietvertrag weist aus, dass das Mietverhältnis am 02.11.2014 begann. Nach § 7 des Mietvertrages soll die Miete in bar bezahlt werden. Er legte außerdem einen Vordruck" Mietbescheinigung" vor, der ebenfalls von ihm als Mieter und seiner Mutter als Vermieterin unterschrieben wurde. Die Rubrik" bewohnt seit " enthielt keinen Eintrag. Ebenso ergaben sich aus der Bescheinigung keine Angaben dazu, bis wann die Miete bereits gezahlt wurde und ob und gegebenenfalls in welcher Höhe Mietrückstände bestehen.
Um feststellen zu können, ob Mietzahlungen bisher erfolgt waren, forderte der Beklagte daraufhin weitere Kontoauszüge an. Da aus den vorliegenden Kontoauszügen keine Mietzahlungen (Überweisungen bzw. zeitnahe Barabhebungen in entsprechender Größenordnung) hervorgingen, wurde der Kläger seitens des Beklagten hierzu um Stellungnahme gebeten. Er und seine Mutter erklärten daraufhin mit Schreiben vom 4.4.2015, dass Miete seit dem 01.01.2015 gefordert werde, er aber seit dieser Zeit finanziell nicht in der Lage sei diese zu zahlen. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 30.04.2015 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.02.2015 bis zum 30.07.2015 in Höhe des Regelbedarfs. Leistungen für Unterkunft und Heizung wurden dagegen abgelehnt. Zur Begründung führte der Beklagte aus, der Kläger habe nicht nachweisen können, dass ein tatsächlicher Mietvertrag mit Bindungswillen zwischen ihm und seiner Mutter Frau S F bestehe. Die Mietzahlungen seien zumindest ab dem 01.01.2015 fällig gewesen. Obwohl keine Zahlungen eingegangen seien, habe die Vermieterin den Kläger nicht gemahnt.
Den mit Schreiben vom 26.05.2015 eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass zwischen ihm und seiner Mutter tatsächlich ein Mietvertrag bestehe. Aufgrund von Renovierungsarbeiten, an denen er sich beteiligt habe, sei eine Mietbefreiung für die Monate November und Dezember 2014 erfolgt. Erst ab Januar 2015 hätten deshalb Mietzahlungen erfolgen müssen. Auch sei ein Zahlungsaufschub zwischen ihm und seiner Mutter vereinbart worden bis zur endgültigen Entscheidung der Beklagten über die Übernahme der Unterkunfts- und Heizkosten. Die Mietzahlungen habe seine Mutter S F mit Schreiben vom 04.11.2015 angemahnt. Bei Einlegung des Widerspruchs mit Schreiben vom 26.05.2015 hatte der Kläger noch angegeben, aufgrund bestehender Arbeitslosigkeit seit Dezember 2014 keine Miete gezahlt zu haben. Mit Widerspruchsbescheid vom 04.02.2016 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und führte hierzu aus, die Übernahme von Kosten für Unterkunft und Heizung scheide aus, wenn die leistungsberechtigte Person keiner ernsthaften bzw. wirksamen Zahlungsverpflichtung z.B. aus einem Mietvertrag ausgesetzt sei. In diesem Zusammenhang habe Bedeutung, ob eine zivilrechtlich wirksame Vereinbarung getroffen worden sei und diese auch tatsächlich gelebt werde. Hier habe die Mutter des Klägers über einen Zeitraum von nahezu einem Jahr keinerlei Anstalten gemacht, ihren Sohn, den Kläger, ernstlich zur Erfüllung seiner Zahlungspflichten aus dem angeblichen Mietvertrag anzuhalten. Nach einem Jahr und auffälliger Weise nahezu zeitgleich mit der Begründung des Widerspruchs durch den Bevollmächtigten werde erstmals am 04.11.2015 die Mietzahlung unter...