Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewaltopferentschädigung. Bestattungsgeld. Rangelei unter Betrunkenen mit tödlichem Ausgang. Leistungsausschluss. Mitverursachung. Unbilligkeit. Alkoholikermilieu. typisches Tatgeschehen

 

Orientierungssatz

Ein Anspruch auf Gewaltopferentschädigung kann bestehen, wenn eine verbale und körperliche Auseinandersetzung unter Betrunkenen eskaliert und es sich nicht um ein Tatgeschehen handelt, das für das Alkoholikermilieu typisch ist.

 

Tatbestand

Die Kläger sind die Eltern des am x. infolge von Messerstichen verstorbenen x. Sie begehren als Hinterbliebene die Zahlung von Bestattungsgeld nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

x. - das spätere Opfer - nahm am x. an einer Geburtstagsfeier teil, die an einer Tischtennisplatte in der Parkanlage x. in x. stattfand. Hier kam es zu diversen Streitereien, die er angestoßen hatte. So hatte er einem Hundebesitzer ohne erkennbaren Anlass in aggressivem Tonfall vorgehalten, dieser würde seine Hunde misshandeln, man solle sie ihm wegnehmen. Auch anderen Gästen gegenüber machte x. aggressive, inhaltlich nicht näher bekannte Vorhaltungen. Nach dem Eintreffen des späteren Schädigers, x., und dessen Freundin, x., gegen 19.30 Uhr begann das erkennbar alkoholisierte und möglicherweise unter dem zusätzlichen Einfluss von Betäubungsmitteln stehende spätere Opfer, auch mit ihnen Streit zu suchen. So stritt er mit ihnen, ob sie aus den gemeinsamen Getränkevorräten trinken durften. Mit x. kam es darüber hinaus zu einer heftigen Auseinandersetzung über die Frage, ob sie eine "richtige" Punkerin sei. In diesem Zusammenhang machte er abfällige Bemerkungen über ihren Irokesenhaarschnitt. x. drängte seine Verlobte aufgrund der von x. initiierten Streitigkeiten, die Feier zu verlassen und nach Hause zu gehen. Nach einiger Zeit ging sie auf diesen Vorschlag ein. Daraufhin verließen beide den Ort des Geschehens zunächst kurz mit ihren Fahrrädern unter fortdauernden Beschimpfungen des x.; ua bezeichnete er x. als "Scheiß-Punker".

Nachdem sie sich bereits einige Meter entfernt hatten, drängte x. den späteren Schädiger, nochmals mit ihr zu der Feier zurückzukehren. Sie wollte die beleidigenden Äußerungen des x. nicht auf sich sitzen lassen und die Angelegenheit "klären". x. ließ sich zu einer Umkehr bewegen, zumal er sich noch von einem Bekannten verabschieden wollte. Als beide wieder an der Tischtennisplatte erschienen, setzte sich die Auseinandersetzung mit x. fort, wobei es zunächst erneut um die Frage ging, ob der spätere Schädiger eine Flasche Bier aus den bereits zu Neige gehenden Vorräten entnehmen durfte. x. und seine Verlobte entschieden sich dann, die Feier nunmehr endgültig zu verlassen. Sie entfernten sich erneut, was x. nicht davon abhielt, weiter in beleidigender Art und Weise hinter x. herzurufen, wobei sich seine Äußerungen weiterhin auf ihr "Punk-Sein" und ihren Irokesenhaarschnitt bezogen. Möglicherweise bezeichnete er sie zu diesem Zeitpunkt oder früher auch als "Fotze" und "alte Drecksau". x. reagierte nun ihrerseits zusehend aggressiver und beschimpfte das spätere Tatopfer x., obwohl ihr Verlobter sie mehrmals aufforderte, endlich mit der Streiterei aufzuhören und mit ihm nach Hause zu gehen.

x. löste sich nun aus der Personengruppe und folgte dem späteren Schädiger und seiner Verlobten bis zu einem ca 15 Meter von der Tischtennisplatte entfernten, unbefestigten Gehweg. Dort bezeichnete er den x. ua als "tätowierten Wichser". Dieser - möglicherweise auch seine Verlobte - wiederum nannte x. zu diesem Zeitpunkt, eventuell aber auch schon früher, einen "Scheiß-Polen". Aus dieser verbalen Auseinandersetzung entwickelte sich eine leichte Rangelei zwischen x. und dem wesentlich kleineren und äußerlich körperlich unterlegenem x. Sie stießen sich wechselseitig vor die Schulter. Zu gravierenden Handgreiflichkeiten kam es aber nicht. Nun griff x. ein. Sie näherte sich dem x. und zog ihn heftig an seinem Bart, was auch ihr Verlobter wahrnahm. x. wandte sich ihr daraufhin zu und versetzte ihr als Reaktion auf das Ziehen an seinem Bart einen heftigen Faustschlag gegen das Kinn. x. stürzte auf den Gehweg und blieb zunächst benommen liegen. Ein anderes Mitglied der Geburtstagsgesellschaft, das den Schlag beobachtet hatte, eilte herbei und äußerte gegenüber x., dass man Frauen bzw "Mädchen" nicht schlage, woraufhin x. einlenkte und zusagte, sich nunmehr zurückzuhalten. Er machte keine Anstalten, weitere Gewalttätigkeiten auszuüben.

Der nur wenige Meter von x. entfernt stehende x. hatte den gegen seine Verlobte gerichteten Schlag ebenfalls beobachtet und sah sie nun am Boden liegen. Aus Wut und Empörung über den Faustschlag entschloss er sich nun, gewaltsam gegen x. vorzugehen. Hierbei war ihm bewusst, dass weitere Gewalttätigkeiten des x. nicht zu befürchten waren. x. trug ein Messer in einem schwarzen Lederholster an seinem Gürtel bei sich. Er zog das Messer und hielt es für x. nicht sichtbar einige Augenblicke hin...

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