Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. Diagnose Nr F45.41 der ICD-10-GM als schmerzunterhaltende psychische Begleiterkrankung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Diagnose F45.41 stellt im (kodier)rechtlichen Sinne eine schmerzunterhaltende psychische Begleiterkrankung im Sinne der OPS-Ziffer 8-918.10 dar.

 

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.413,00 EUR nebst 2 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.06.2020 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 1.413,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Vergütung der Krankenhausbehandlung aus dem Behandlungsfall der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherten T F nach Aufrechnung mit einem vermeintlichen Erstattungsanspruch aus der stationären Behandlung der ebenfalls bei der Beklagten versicherten B T in der Klinik, deren Träger der Kläger ist.

In der Zeit vom 09.02.2018 bis zum 22.02.2018 erfolgte die stationäre Aufnahme der Versicherten T im Krankenhaus des Klägers zur multimodalen Schmerztherapie. Für den Aufenthalt stellte der Kläger der Beklagten am 23.02.2018 einen Betrag in Höhe von 5.557,78 EUR unter der DRG I42A (Multimodale Schmerztherapie bei Krankheiten und Störungen an Muskel-Skelett-System und Bindegewebe, mindestens 14 Tage) in Rechnung. Dabei gab er unter anderem die Diagnose F45.41 (chronische Schmerzerkrankung mit somatischen und psychischen Faktoren) als Nebendiagnose (ND) an.

Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst vollständig. Sodann zeigte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) am 01.03.2018 die Durchführung einer Fallprüfung des Behandlungsfalles T nach Direktbeauftragung durch die für die Beklagte tätige D GmbH an. Als Prüfgegenstand wurde die Prüfung der Kodierung in Form der Prozeduren (OPS) 8-918.10 (Multimodale Schmerztherapie: Mindestens 14 bis höchstens 20 Behandlungstage: Bis zu 41 Therapieeinheiten) und 8-977 (Multimodale-nichtoperative Komplexbehandlung des Bewegungssystems) angegeben sowie die Übersendung aller dazu geeigneten Unterlagen angefordert.

Mit MDK-Gutachten vom 22.11.2018 kam Dr. C zu dem Ergebnis, dass die OPS-Ziffer 8-918.10 zu streichen sei, da keine Medikamentenabhängigkeit, schmerzunterhaltende psychische Begleiterkrankung und/oder eine gravierende somatische Begleiterkrankung vorliege. Die OPS-Ziffer 8-977 könne hingegen bestätigt werden.

Mit Schreiben vom 27.12.2018 widersprach Oberarzt Dr. T der Klinik des Klägers dem MDK-Gutachten. Die ND F45.41 stelle eine relevante schmerzauslösende und schmerzunterhaltende psychische Begleiterkrankung dar. Dies entspreche auch einer Stellungnahme der AD-Hoc-Kommission „Interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie der Deutschen Schmerzgesellschaft“.

Die Beklagte gab sodann ein weiteres Gutachten bei Dr. C in Auftrag. Dieser verblieb am 16.05.2019 bei seiner Auffassung, dass die Mindestmerkmale der OPS-Ziffer 8-918.10 nicht erfüllt seien. Die Diagnose F45.41 sei keine primäre psychische Erkrankung, obwohl sie in Kapitel V (Psychische und Verhaltensstörungen) ICD 10 gelistet sei, weil ihre Aufnahme in 2009 nur zur differenzierten Abbildung einer bestehenden Schmerzerkrankung erfolgt sei.

Am 17.05.2019 teilte die Beklagte dem Kläger das Prüfergebnis nach Widerspruchsgutachten unter Bezifferung eines vermeintlichen Erstattungsanspruchs im elektronischen Datenaustausch mit. Am 16.06.2020 rechnete sie einen Betrag in Höhe von 1.413,00 EUR aus dem Behandlungsfall T gegenüber einer unstreitigen Vergütungsforderung des Klägers aus dem Behandlungsfall F auf.

Mit seiner am 04.08.2020 erhobenen Klage begehrt der Kläger die Zahlung der ausstehenden Vergütung in Höhe von 1.413,00 EUR aus dem Behandlungsfall F von der Beklagten. Er ist unter Bezugnahme auf die ärztliche Stellungnahme von Dr. T vom 27.12.2018 der Auffassung, dass die Mindestmerkmale der OPS-Ziffer 8-918.10 erfüllt seien.

Die Bevollmächtigte des Klägers beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.413,00 EUR nebst 2 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.06.2020 zu zahlen.

Der Vertreter der Beklagten beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass keine schmerzunterhaltende psychische Begleiterkrankung vorliege und damit die Abrechnung nur unter der DRG I68D (Nicht operativ behandelte Erkrankungen und Verletzungen im Wirbelsäulenbereich, mehr als ein Belegungstag oder andere Femurfraktur, außer bei Diszitis oder infektiöser Spondylopathie, ohne Kreuzbeinfraktur) erfolgen könne.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte sowie die Patientenakte der Versicherten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klage ist als echte Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Ein Vorver...

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