Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Stadtrats- bzw Kreistagsmitglieder

 

Leitsatz (amtlich)

Aufwandsentschädigungen an ehrenamtlich tätige Stadtrats- und Kreistagsmitglieder sind zweckbestimmte Einnahmen, die von der Berücksichtigung als Einkommen ausgenommen sind.

 

Tenor

Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids zur vorläufigen Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 11.08.2017 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 25.11.2017 in Gestalt des Ablehnungsbescheids vom 22.01.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.01.2019 verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum von August bis Dezember 2017 und Januar 2018 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Berücksichtigung eines Einkommens aus den Ehrenämtern für den Fraktionsvorsitz im Stadtrat der Stadt T und für den Sitz im Kreistag des Landkreises V zu gewähren.

Der Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zeitraum August 2017 bis Januar 2018.

Die Klägerin ist politisch tätig. Seit 2014 ist sie Mitglied des Rats der Stadt T und war dort im streitgegenständlichen Zeitraum Vorsitzende ihrer Fraktion. Seit September 2015 war sie daneben Mitglied des Kreistags des Landkreises V.

Für die Mitgliedschaften im Stadtrat und im Kreistag erhielt sie jeweils Aufwandsentschädigungen. Diese betrugen im streitgegenständlichen Zeitraum für die Mitgliedschaft im Stadtrat insgesamt 900,30 EUR monatlich, für die Mitgliedschaft im Kreistag 393,13 EUR monatlich zuzüglich Sitzungsgeldern und Fahrtkosten in unterschiedlicher Höhe.

Daneben ging sie noch zwei selbstständigen Tätigkeiten nach, sie gab Nachhilfestunden und Yogaunterricht.

Bereits vor dem hier streitgegenständlichen Zeitraum hatte die Klägerin Leistungen vom Beklagten bezogen. Die Aufwandsentschädigung für die Mitgliedschaft im Stadtrat hatte der Beklagte bisher als privilegiertes Einkommen nicht auf ihre Leistungen angerechnet, so zuletzt noch in der abschließenden Festsetzung vom 05.12.2017 zum Vorzeitraum. Nach ihrer Aufnahme im Kreistag hatte sich die Klägerin an den Beklagten gewandt und um Prüfung gebeten, ob die Privilegierung auch für die Aufwandsentschädigung für die Mitgliedschaft im Kreistag gelte. Daraufhin hatte ihr der Beklagte am 22.12.2015 geschrieben, dass die monatliche Pauschale für die Kreistagsmitgliedschaft in voller Höhe als Einkommen anzurechnen sei. Diese diene, im Gegensatz zur Aufwandsentschädigung für die Mitgliedschaft im Stadtrat, dem gleichen Zweck wie die Leistungen nach dem SGB II. Die Aufwandsentschädigung für das Kreistagsmandat wurde erstmals im Bewilligungsbescheid vom 28.04.2016 zum Zeitraum August 2015 bis Januar 2016 angerechnet.

Im Juli 2017 stellte die Klägerin einen Weiterbewilligungsantrag. Auf diesen bewilligte der Beklagte den hier streitgegenständlichen Zeitraum zunächst vorläufig mit Bescheid vom 10.08.2017. Es wurde ein zu erwartendes Einkommen i.H.v. 566,34 EUR brutto und 416,34 EUR netto prognostiziert. Aus einem Berechnungsvermerk zum Bescheid ist ersichtlich, dass dabei nur die Aufwandsentschädigung für die Mitgliedschaft im Kreistag einberechnet und die Aufwandsentschädigung für die Mitgliedschaft im Stadtrat als privilegiert außen vor gelassen wurde (Blatt 258 Verwaltungsakte zu S 70 AS 308/19-Bl. 186, Bd. II). Gegen die vorläufige Bewilligung erhob die Klägerin am 07.09.2017 Widerspruch.

Mit Bescheid vom 22.01.2019 setzte der Beklagte den Zeitraum abschließend fest. Einen Anspruch lehnte er ab, da übersteigendes Einkommen vorhanden sei und keine Hilfebedürftigkeit bestehe. Als Einkommen berücksichtigte der Beklagte aus der Tätigkeit als Yogalehrerin 1,84 EUR, aus der Tätigkeit als Nachhilfelehrerin 35,42 EUR, die Aufwandsentschädigung für die Mitgliedschaft im Stadtrat in Höhe von 900,30 EUR und die Aufwandsentschädigung für die Mitgliedschaft im Kreistag mit 393,13 EUR, also insgesamt 1.330,69 EUR monatlich.

Den von der Klägerin gegen die vorläufige Bewilligung erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.01.2019 als unbegründet zurück.

Am 20.02.2019 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, die Aufwandsentschädigungen für die ehrenamtlichen politischen Tätigkeiten seien als privilegiertes Einkommen anzusehen. Die Aufwandsentschädigung für die Mitgliedschaft im Stadtrat sei bisher nicht als Einkommen berücksichtigt worden, daher bestehe Vertrauensschutz. In der Vergangenheit habe der Beklagte rechtsverbindlich festgestellt, dass keine Anrechnung auf die Leistungen erfolge. Dies ergebe sich aus dem Schreiben der zuständigen Sachbearbeiterin aus August 2015. Die Aufwandsentschädigungen dienen einem anderen Zweck als den der Unterhaltssicherung. Es sollen davon die Kosten für die Wahrnehmung der politischen Mand...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge