Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermittlung des vertragsärztlichen praxisbezogenen Regelleistungsvolumens

 

Orientierungssatz

1. Nach § 87b Abs. 1 SGB 5 werden die vertragsärztlichen Leistungen auf der Grundlage der Euro-Gebührenordnung nach § 87a Abs. 2 SGB 5 vergütet. Dabei wird der Behandlungsbedarf des Vertragsarztes nach § 87c Abs. 4 S. 2 bis 4 SGB 5 bestimmt. Nach § 87b Abs. 2 S. 1 SGB 5 sind arzt- und praxisbezogene Regelleistungsvolumina festzulegen.

2. Für jede Arztgruppe wird ein arztgruppenspezifischer Fallwert zur Ermittlung des Regelleistungsvolumens berechnet. Grundlage ist u. a. die vorhersehbare morbiditätsbedingte Gesamtvergütung.

3. Der ermittelte arztgruppenspezifische Fallwert ist ein wesentlicher Faktor für die Berechnung des dem Vertragsarzt zuzuweisenden praxisbezogenen arztgruppenspezifischen Regelleistungsvolumens.

4. Die Morbidität ist entgegen § 87b Abs. 3 S. 6 SGB 5 ausschließlich durch das Alter und nicht das Geschlecht der Patienten zu bestimmen. Das Geschlecht ist als Morbiditätskriterium ungeeignet.

5. Bei der Berechnung des vertragsärztlichen Regelleistungsvolumens ist in zulässiger Weise auf die Fallzahlen des Vorjahresquartals abzustellen.

6. Bei der Prüfung, ob normative Regelungen der Honorarverteilung den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG genügen, ist auf die generelle Situation der betroffenen Arztgruppe und nicht auf die Ertragssituation einer einzelnen vertragsärztlichen Praxis abzustellen.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

 

Tatbestand

Streitig sind die Bescheide, mit denen die Beklagte dem Kläger für die Quartale I bis IV/2009 praxisbezogene Regelleistungsvolumen (RLV) zugewiesen hat. Der Kläger ist Facharzt für Allgemeinmedizin und nimmt seit 01.10.1987 in S als Hausarzt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Mit Bescheid vom 28.11.2008 wies die Beklagte ihm für das Quartal I/2009 ein praxisbezogenes RLV in Höhe von 33.212,70 EUR zu. Der Betrag errechnet sich als Produkt der RLV-relevanten Fallzahl des Klägers aus dem Vorjahresquartal (1015), dem RLV-Fallwert für die Arztgruppe der Hausärzte (32,43 EUR) und dem nach den Daten des Vorjahresquartals bemessenen Morbiditätsfaktor der Praxis (1,0090).

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 10.12.2008 Widerspruch ein. Er machte geltend, dass der Bescheid keinen direkten Vergleich mit seinem Honorar für das Quartal I/2008 ermögliche. Der der Berechnung zugrunde liegende EBM entspreche nicht den Intentionen des Gesetzgebers.

Unter dem 27.02.2009 erging der Zuweisungsbescheid für II/2009, in dem ein RLV von 24.671,31 EUR (= 759 x 32,18 EUR x 1,0101) ausgewiesen ist. Für III/2009 wies die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 28.05.2009 ein RLV von 36.763,32 EUR (= 1090 x 33,06 EUR x 1,0202) und für IV/2009 mit Bescheid vom 28.08.2009 ein RLV in Höhe von 31.997,70 EUR (= 975 x 32,14 EUR x 1,0211) zu. Auch gegen diese drei Bescheide erhob der Kläger Widerspruch, und zwar am 11.03., 08.06. bzw. 16.09.2009.

Mit Schreiben vom 18.06.2009 und 02.10.2009 machte die Beklagte darauf aufmerksam, dass der Kläger für den Fall eines Antrags auf Anerkennung von Praxisbesonderheiten nach Ziffer 4.4.2 der RLV-Vereinbarung (RLVV) die maßgeblichen Gebührenordnungspositionen benennen müsse.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.04.2010 wies sie die Widersprüche des Klägers gegen die vier Zuweisungsbescheide zurück. Sie stellte die Grundzüge der zum 01.01.2009 in Kraft getretenen Honorarreform dar und setzte sich mit den häufigsten Einwänden der Ärzteschaft gegen die Rechtmäßigkeit der Reform auseinander. Abschließend stellte sie klar, dass Anträge auf Ausnahmeregelungen nach Ziffern 4.3.1, 4.4.1, 4.4.2, 4.4.3b und 4.5 RLVV als eigenständige Verfahren bearbeitet würden und nicht Gegenstand dieses Widerspruchsbescheides seien.

Dieser Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 30.04.2010 zugestellt. Daraufhin hat er am 28.05.2010 die vorliegende Klage erhoben. Er trägt im Wesentlichen vor:

Die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung für das Jahr 2009 sei fehlerhaft ermittelt worden. Denn der Erweiterte Bewertungsausschuss hätte die HVV-Quote nach § 87c Abs. 4 SGB V nicht länderspezifisch, sondern bundeseinheitlich bilden müssen. Dass das versorgungsbereichsspezifische Vergütungsvolumen jeweils um die Vergütung der freien Leistungen innerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung bereinigt werde, verletze den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, weil der Erweiterte Bewertungsausschuss nicht gleichzeitig einen Mechanismus zur Begrenzung der Mengenentwicklung dieser freien Leistungen etabliert habe. Die Aufteilung der Vergütung zwischen dem hausärztlichen und dem fachärztlichem Versorgungsbereich sei nicht nach den Vorgaben des Erweiterten Bewertungsausschusses erfolgt, der nur einen Vorwegabzug der Leistungen nach Kapitel 35.2 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) vorgesehen habe. Vielmehr sei eine hiervon abweichenden Richtlinie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung angewandt worden, der zufolge der Trennung...

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