Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung der angemessenen Kosten für die Unterkunft
Orientierungssatz
1. Die Angemessenheit der Bedarfe für die Unterkunft nach § 22 SGB 2 ist nach der Produkttheorie zu ermitteln. Für einen Ein-Personen-Haushalt ist eine Wohnfläche von 50 qm angemessen.
2. Zur Ermittlung des angemessenen Quadratmeterpreises ist ein einfacher, im unteren Marktsegment liegender Standard zugrunde zu legen.
3. Für die Bestimmung der angemessenen Referenzmiete im Rahmen eines schlüssigen Konzepts kann auf einen vorhandenen Mietspiegel zurückgegriffen werden.
4. Angesichts steigender Kosten auf dem Wohnungsmarkt können im Jahr 2009 erhobene Daten nicht mehr zur Angemessenheit der für das Jahr 2016 angemessenen Unterkunftskosten herangezogen werden.
5. Fehlt es an einem schlüssigen Konzept zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten, so ist auf die Tabellenwerte des WoGG zurückzugreifen, einschließlich eines Sicherheitszuschlags von 10 %.
Tenor
Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 02.08.2016 und vom 30.01.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2016 verurteilt, dem Kläger Bedarfe für Unterkunft und Heizung vom 01.04.2016 bis zum 30.09.2016 in Höhe von insgesamt 532,55 Euro nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren und den Nachzahlungsbetrag nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu verzinsen.
Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Gewährung höherer Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.04.2016 bis zum 30.09.2016.
Der 1969 geborene Kläger steht mit Unterbrechungen seit Oktober 2005 bei dem Beklagten im Leistungsbezug. Seit dem 01.10.2006 bewohnt er eine rund 57 qm große Wohnung, für die er im streitigen Zeitraum eine Kaltmiete von 338,45 Euro, eine Betriebskostenvorauszahlung von 108,00 Euro und eine Heizkostenvorauszahlung von 82,00 Euro aufzuwenden hatte. Warmwasser wird in der Wohnung mittels eines Gasdurchlauferhitzers erzeugt. Die Wohnung des Klägers wird durch eine Gasetagenheizung beheizt.
Seit dem 01.09.2011 zahlte der Beklagte dem Kläger nur noch die aus seiner Sicht angemessenen Bedarfe für Unterkunft und Heizung, nämlich einen Kaltmietpreis von 4,85 Euro zzgl. der tatsächlichen Betriebs- und Heizkosten. Die Rechtmäßigkeit der Kostensenkung für die Zeit vom 01.09.2011 bis zum 30.09.2012 war Gegenstand des bei der erkennenden Kammer unter dem Aktenzeichen S 3 AS 1373/12 geführten Klageverfahrens (L 12 AS 2215/14, Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - LSG NRW -) und für die Zeit vom 01.10.2012 bis zum 31.03.2013 sowie vom 01.04.2013 bis zum 30.09.2013 der Parallelverfahren S 3 AS 2554/13 und S 3 AS 2553/13, die mit Urteil vom 24.11.2016 endeten. Die Höhe der Bedarfe für Unterkunft und Heizung im Zeitraum vom 01.10.2013 bis zum 31.03.2014 wird von dem Beklagten derzeit noch im Verwaltungsverfahren überprüft. Die Zeiträume vom 01.04.2014 bis 31.03.2015, vom 01.04.2015 bis 30.09.2015 und vom 01.10.2015 bis 31.03.2016 waren Gegenstand der Parallelverfahren S 3 AS 3131/15, S 3 AS 2307/15 und S 3 AS 5043/15, die ebenfalls mit Urteilen vom 02.02.2017 endeten.
Nachdem der Kläger am 29.06.2015 eine geringfügige Beschäftigung aufgenommen hatte, bewilligte der Beklagte dem Kläger auf dessen Fortzahlungsantrag mit Bescheid vom 17.03.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2016 Leistungen vom 01.04.2016 bis zum 30.09.2016 gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 328 Abs. 1 Nr. 3 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) zunächst nur vorläufig in Höhe von 921,40 monatlich weiter und berücksichtigte dabei, neben der Regelleistung in Höhe von 404,00 Euro und einem Mehrbedarf aufgrund kostenaufwändigerer Ernährung wegen der bei dem Kläger bestehenden und nachgewiesenen Zöliakie-Erkrankung in Höhe von 80,80 Euro Bedarfe für Unterkunft und Heizung weiterhin nur in Höhe einer aus seiner Sicht angemessenen Kaltmiete von 242,50 Euro, die sich errechne aus einem angemessenen Kaltmietpreis von 4,85 Euro/qm für 50 qm Wohnfläche, die dem Kläger zustehe, zzgl. der tatsächlichen Betriebs- und Heizkosten sowie 4,10 Euro weitere Kosten für den Betrieb der Gastherme, mithin insgesamt 436,60 Euro. Dies entspricht einer Kürzung der tatsächlich von dem Kläger zu zahlenden Kaltmiete von 95,95 Euro.
Hiergegen hat der Kläger am 12.07.2016 Klage erhoben. Er ist der Meinung, dass die tatsächlichen Unterkunftskosten von dem Beklagten zu tragen seien, da dieser nicht über ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung angemessenen Wohnraums verfüge. Es sei allgemein bekannt, dass kleinere Wohnungen überproportional teuer seien. Es sei daher nicht rechtens, ein arithmetisches Mittel aus Wohnungen mit einer Quadratmeterzahl von 40 bis 90 qm zu bilden. Damit würden kleinere Wohnungen "billig gerechnet".
Mit Änderungsbescheiden vom 02.08.2016 und vom 30.01.2017 hat der Beklagte den hier streitigen Zeitraum endgültig ...