Orientierungssatz
Parallelentscheidung zu dem Urteil des SG Düsseldorf vom 12.1.2023 - S 30 KR 1356/22 KH, das vollständig dokumentiert ist.
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 12.07.2022 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 06.09.2022 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Festsetzung einer Aufschlagszahlung nach § 275c Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V).
Die Klägerin behandelte die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Patientin ... vom 19.01. bis 23.01.2021 vollstationär. Die Klägerin rechnete diesen Behandlungsfall gegenüber der Beklagten mittels Datenträgeraustausch (DTA) nach § 301 SGB V ab. Die Rechnung vom 19.02.2021 über 2.546,02 € (Rechnungs-Nr. 90951395) ging im Jahr 2021 bei der Beklagten ein. Da die Beklagte Zweifel an der ordnungsgemäßen Rechnungslegung hegte, beauftragte sie im am 19.03.2021 den zuständigen Medizinischen Dienst (MD) mit der Überprüfung des Behandlungsfalls. Die Prüfanzeige des Medizinischen Dienstes ging der Klägerin am ebenso im Jahr 2021 zu. Im Rahmen der Prüfung gelangte der MD in seinem Gutachten vom 18.01.2022 zu dem Ergebnis, dass die Abrechnung der Klägerin hinsichtlich der Höhe des Abrechnungsbetrags unzutreffend war, da die Hauptdiagnose in die O26.88 zu ändern sei. Daher sei die Fallpauschale O65B anzusetzen. Es ergebe sich darauf ein neuer Rechnungsbetrag i.H.v. 1.928,64 €. Die Einzelheiten der Abrechnung sind zwischen den Beteiligten nicht streitig und - aufgrund der Festsetzung der Aufschlagszahlung in Höhe des Mindestbetrages i.S.v. § 275c Abs. 3 S. 2 a.E. SGB V - für das hiesige Verfahren auch nicht von Relevanz.
Daraufhin teilte die Beklagte der Klägerin in ihrer abschließenden Leistungsentscheidung einen Erstattungsanspruch mit, woraufhin die Klägerin das Gutachten akzeptierte und die Rechnung am 22.08.2022 (Anlage K3) korrigierte. Mit - hier einzig streitgegenständlichem - Bescheid vom 12.07.2022 setzte die Beklagte ohne vorherige Anhörung der Klägerin eine Aufschlagszahlung nach § 275c Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) i.H. des Mindestbetrags von 300 € fest, wogegen sich der Widerspruch der Klägerin richtete.
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.09.2022 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Aufschlagsberechnung aus ihrer Sicht, die überdies durch das Bundesministerium für Gesundheit geteilt werden, auf Fälle vor dem 01.01.2022 anwendbar sei. Es komme für die Berechtigung zur Erhebung des Strafaufschlages nur auf die leistungsrechtliche Entscheidung bzw. das Ende der Prüfung durch den MD an. Zur Stützung ihrer Rechtsansicht verwies die Beklagte auf unterschiedliche Entscheidungen von Sozialgerichten im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes.
Die Klägerin hat sodann Klage vor dem erkennenden Gericht erhoben.
Sie ist der Auffassung, dass der Bescheid bereits formell rechtswidrig sei. Insoweit sei die Beklagte vor Erlass einer belastenden Entscheidung, die in die Rechte eines Beteiligten eingreife, gehalten, Gelegenheit zur Äußerung hinsichtlich der für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu geben. Der Adressat solle vor einer Überraschungsentscheidung geschützt werden und günstige Umstände vorbringen können. Insoweit habe das Bundessozialgericht bereits darauf hingewiesen, dass die Anhörungspflicht auch gegenüber Krankenhausträgern in einem vermeintlichen Gleichordnungsverhältnis gelte, wenn ein belastender Bescheid ergehe. Die Anhörung sei ferner auch nicht entbehrlich gewesen. Zwar könne gemäß § 24 Abs. 2 SGB X von der Anhörung abgesehen werden. Dieses Absehen stehe jedoch im Ermessen der Beklagten. Eine solche Ermessensentscheidung sei hier bereits nicht ersichtlich und darüber hinaus sei auch kein Tatbestand gegeben, welcher eine Abweichung von dem Grundsatz der vorherigen Anhörung zulasse. Weiterhin fehle es an einer ordnungsgemäßen Begründung der Entscheidung, da nicht erkennbar sei, wie der Aufschlagsbetrag konkret berechnet worden sei.
Darüber hinaus sei der Bescheid auch in materieller Hinsicht rechtswidrig. Die Regelung über die Aufschlagszahlung auf Behandlungsfälle aus den Jahren 2020 und 2021 sei nicht anwendbar, sondern erst für Krankenhausaufnahmen ab dem 01.01.2022. Der Wortlaut des Gesetzes benenne den maßgeblichen Anknüpfungspunkt - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - nicht. Entgegen der Gründe des angegriffenen Bescheides komme es für den zeitlichen Anknüpfungspunkt der Aufschlagsregelung des § 275 Abs. 3 SGB V jedenfalls nicht auf das Datum des Zugangs der leistungsrechtlichen Entscheidung an. Vielmehr sei der zeitliche Anknüpfungspunkt das Datum der Krankenhausaufnahme ab dem 01.01.2022. Das Datum der Krankenhausaufnahme sei auch in ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) der maßgebliche zeitliche Anknüpfungspunkt hinsichtlich der für den Behandlungsfall geltenden Rechtslage. Die Aufschlagszahlung solle - ebenso wie die Prüfquote - de...