nicht rechtskräftig

 

Nachgehend

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 12.06.2002; Aktenzeichen L 7 SB 39/02)

 

Tenor

Der Bescheid vom 22.01.2001 und der Widerspruchsbescheid vom 13.06.2001 werden aufgehoben. Der Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten in einem Verfahren nach dem Schwerbehindertengesetz - SchwbG - um die Höhe des Grades der Behinderung - GdB -.

Bei der 1945 geborenen Klägerin hatte der Beklagte mit Bescheid vom 29.08.1995 einen GdB von 50 wegen

1. Verlust der Gebärmutter im Stadium der Heilungsbewährung (nach der internen Stellungnahme des ärztlichen Beraters des Beklagten GdB 50)

2. Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Skoliose und Beckenschiefstand rechts (GdB 10)

festgestellt.

Im Juli 2000 trat der Beklagte in eine Überprüfung des Behinderungsgrades von Amts wegen ein. Zu diesem Zweck holte er Befundberichte von dem Frauenarzt T und dem Arzt für Nervenheilkunde I ein und hörte die Klägerin unter dem 16.10.2000 zu einer ins Auge gefassten Herabsetzung des GdB auf 20 an. Zur Begründung führte der Beklagte in seinem Anhörungsschreiben aus:

"Nach den maßgebenden Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz werden bei Erkrankungen, die zu Rückfällen neigen, für einen bestimmten Zeitraum nicht nur die Funktionsstörungen infolge von Organ- und Gliedmaßenschäden sowie die damit verbundenen Leistungsbeeinträchtigungen berücksichtigt, sondern auch die Rückfallneigung und die damit verbundenen Ängste, die Ungewissheit über die Wiederherstellung der Belastbarkeit und die Anpassungsschwierigkeiten durch die Umstellung in der Lebensführung. In Anbetracht dieser besonderen Umstände ist bei ihnen der GdB höher als allein nach den objektiv vorliegenden Funktionseinschränkungen festgestellt worden. Aus den mir jetzt vorliegenden Berichten des T von 21.08.2000 sowie des I vom 18.09.2000, die ich unter Beteiligung meines ärztlichen Beraters ausgewertet habe, ergibt sich, dass hinsichtlich der bei ihnen festgestellten Funktionsbeeinträchtigung "Verlust der Gebärmutter" eine Heilungsbewährung eingetreten ist. In den letzten Jahren seit ihrer Erkrankung sind Rückfälle nicht aufgetreten, das Risiko eines Rückfalls ist erheblich reduziert und ihr Gesundheitszustand hat sich stabilisiert".

Hiergegen wendete sich die Klägerin, indem sie ausführte, die beabsichtigte Herabstufung wegen einer Heilungsbewährung sei falsch. Bei ihr bestehe ein familiär erhöhtes Karzinom-Risiko.

Mit Bescheid vom 22.01.2001 setzte der Beklagte den GdB auf 20 herab. Dabei ist der Beklagte - nach der internen ärztlichen Stellungnahme vom 05.10.2000 - allein von der Behinderung degenerative Veränderung der Wirbelsäule, Skoliose mit Beckenschiefstand rechts, chronisches Schmerzsyndrom (GdB 20) ausgegangen.

Gegen den Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein, den sie erneut mit dem familiär erhöhten Krebsrisiko begründete.

Mit Bescheid vom 13.06.2001 wies der Beklagte den Widerspruch als sachlich unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Beklagte unter anderem aus:

Bei Funktionsbeeinträchtigungen, die zu Rückfällen neigen oder bei denen die Belastbarkeit abgewartet werden muss, stellt ohne Befundänderung allein die durch Zeitablauf eingetretene Heilungsbewährung eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne von § 48 des Zehntes Buches des Sozialgesetzbuches - SGB X - dar.

Gegen den Bescheid richtet sich die am 16.07.2001 bei Gericht eingegangene Klage.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 22.01.2001 und den Widerspruchsbescheid vom 13.06.2001 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat zur Sachverhaltsermittlung Befundberichte von dem Orthopäden E, dem Internisten H, dem Nervenarzt I und dem Gynäkologen T eingeholt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen. Ihre Inhalte waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

 

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht erhobene und Klage ist als Anfechtungsklage zulässig. Maßgebend ist die Rechtslage bei Erlass des angefochtenen Widerspruchsbescheides, der noch bei Geltung des Schwerbehindertengesetzes erlassen wurde (Seit Juil 2001 SGB IX).

Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -, denn die Bescheide erweisen sich als rechtswidrig.

Nach § 48 SGB X, auf den der Beklagte seinen Bescheid gestützt hat, kann, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt aufgehoben werden.

Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vorliegend nicht vor. Weder in den rechtlichen noch in den tatsächlichen Verhältnissen hat sich seit Erteilung des Verwaltungsaktes vom 29.08.1995 eine wesentliche Än...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge