Entscheidungsstichwort (Thema)

Die im Sterbevierteljahr gewährte Witwerrente ist keine auf Leistungen der Sozialhilfe anrechnungsfreie zweckbestimmte Leistung

 

Orientierungssatz

1. Nach § 83 SGB 12 sind Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, nur soweit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Sozialhilfe im Einzelfall demselben Zweck dient.

2. Für die Witwerrente fehlt es an der erforderlichen konkret individuellen Zwecksetzung im sog. Sterbevierteljahr. Der Sterbevierteljahresbonus dient letztlich der Sicherung des Lebensunterhalts des Hinterbliebenen im Übergangszeitraum und damit demselben Zweck wie die Leistungen des SGB 12. Für eine Zweckbestimmung gemäß § 83 SGB 12 ist dies nicht ausreichend.

 

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin weitere 332,97 EUR zu erstatten. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Der Streitwert wird auf 332,97 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen weiteren Erstattungsanspruch i. H. v. 332,97 EUR gegen die Beklagte hat. Die Klägerin hat dem Beigeladenen seit dem 01.10.2011 ergänzend zu seiner Rente wegen Erwerbsminderung Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII erbracht. Von seiner Ehefrau lebte der Beigeladene seit 2009 getrennt. Die Ehefrau verstarb am 24.04.2014. Er bezieht seit dem 24.04.2014 große Witwerrente.

Die Beklagte unterrichtete die Klägerin durch Schreiben vom 25.07.2014 zur Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs über die dem Kläger zustehenden Rentenbeträge seit dem 24.04.2014 und forderte die Klägerin auf, den Erstattungsanspruch getrennt nach Monaten zu beziffern. Dabei wies sie darauf hin, dass ein Erstattungsanspruch im Sterbevierteljahr lediglich auf den Betrag der nach Ablauf des Sterbevierteljahres zu zahlenden Renten zu beziffern sei.

Mit Schreiben vom 08.08.2014 begehrte die Klägerin die Erstattung i.H.v. 987,94 EUR und machte geltend, dass die Witwenrente auch im Sterbevierteljahr keine gemäß § 83 Abs. 1 SGB XII anrechnungsfreie zweckbestimmte Leistung sei. Lediglich ein abstrakt-genereller Zweck liege dem Sterbevierteljahrbonus zugrunde, was für eine Zweckbestimmung gemäß § 83 SGB XII nicht ausreichend sei. Erforderlich sei ein konkret-individueller Zweck, der bei der Witwenrente im Sterbevierteljahr nicht gegeben wäre.

Die Beklagte überwies der Klägerin zur Befriedigung des erhobenen Erstattungsanspruchs aus der Nachzahlung der Witwerrente für den Beigeladenen einen Betrag i.H.v. 665,01 EUR. Zur Begründung führte sie in einem Schreiben vom 28.08.2014 aus, die Sozialleistungsträger rechneten im Sterbevierteljahr lediglich die Witwen- oder Witwerrente an, die sich aus der Anwendung des Rentenartfaktor 0,6 oder 0,55 bei der großen Witwerrente ergebe. Von daher bestünde auch nur ein Erstattungsanspruch bis zur Höhe der "normalen" Witwen- oder Witwerrente.

Den restlichen Betrag i.H.v. 332,93 EUR überwies die Beklagte an den Beigeladenen. Mit Schreiben vom 11.09.2014 forderte die Klägerin die Beklagte auf, den geltend gemachten Erstattungsanspruch in voller Höhe zu erfüllen. Nach derzeitig geltender Rechtslage gehe die Beklagte rechtsirrig davon aus, dass es sich bei dem Sterbevierteljahr-Bonus um eine privilegierte Einnahme handele. Dabei beruft sie sich auf die Kommentierungen zu §§ 82,83 SGB XII.

Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 09.10.2014 eine weitere Erstattung ab. Sie verblieb bei ihrer Auffassung, dass es sich bei dem Sterbevierteljahr-Bonus um zweckbestimmtes Einkommen im Sinne des §§ 83 Abs. 2 SGB XII handele. Es genüge, wenn sich die Zweckbestimmung aus den Leistungsvoraussetzungen und dem Gesamtzusammenhang der Regelung ergebe. Nach der neueren Rechtsprechung des BSG lasse sich die Zweckbestimmung auch dann definieren, wenn sie sich eindeutig aus den Gesetzesmaterialien ergebe. Hierzu führte sie aus, dass die Regelung des Sterbevierteljahr-Bonus 1957 in Anlehnung an den damals geltenden § 122 Bundesbeamtengesetz (BBG) in das Rentenrecht eingefügt worden sei. Mit dem Privileg sollte dem hinterbliebenen Ehegatten die mit dem Sterbefall verbundenen besonderen Aufwendungen zu einem Teil abgenommen und ihm die Umstellung auf die veränderten Verhältnisse finanziell erleichtert werden. Damit ginge der mit der Regelung über den Sterbevierteljahr-Bonus verfolgte Zweck über die Sicherung des Lebensunterhaltes hinaus und bezöge sich auf Mehrbedarfe, die durch Sozialhilfe nicht gedeckt würden. Der Hinterbliebene der Ehegatten solle für Mehraufwendungen, die durch die Umstellung auf die neuen Lebensverhältnisse entstünden, einen pauschalen Ausgleich erhalten und nicht die "normale" Witwen-/Witwerrente, die der Sicherung des Lebensunterhaltes diene, dafür einsetzen müssen. Mit dieser Intention sei eine Anrechnung des "Sterbevierteljahres-Bonus" auf die Sozialhilfe nicht vereinbar. Dem stünde nicht entgegen, dass die gesetzliche Regelung keine zweckbestimmte Verwendung dies...

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