Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander. Anspruch des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers. nachrangige Leistungspflicht. Sozialhilfe. Hilfe zum Lebensunterhalt. Einkommenseinsatz. erhöhte Witwenrente im Sterbevierteljahr. keine zweckbestimmte Leistung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Witwen- bzw Witwerrente gehört auch in Höhe des sog Sterbevierteljahresbonus nicht zu den anrechnungsfreien zweckbestimmten Leistungen iS des § 83 Abs 1 SGB 12.

2. Der Erstattungsanspruch des Trägers der Sozialhilfe gegen den Träger der Rentenversicherung umfasst deshalb auch den Sterbevierteljahresbonus.

 

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin weitere 803,04 Euro zu erstatten.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Der Streitwert wird auf 803,04 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Witwenrente der Beigeladenen in der Zeit vom 01.12.2013 bis zum 28.02.2014 auch in Höhe des sog. Sterbevierteljahresbonus an die Klägerin zu erstatten.

Die Beigeladene A., Witwe des am 27.11.2013 verstobenen R., erhält von der Klägerin seit 01.08.2013 Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Mit Schreiben vom 28.01.2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der Beigeladenen eine große Witwenrente mit Leistungsbeginn 01.12.2013 zugesprochen worden sei. Die monatliche Rentenauszahlung betrage vom 01.12.2013 bis zum 28.02.2014 (also im Sterbevierteljahr) 446,83 Euro, ab 01.03.2014 belaufe sich der monatliche Zahlbetrag auf 179,15 Euro. Die Klägerin wurde gebeten, ihren Erstattungsanspruch zu beziffern. Ferner erfolgte der Hinweis, dass nach Auffassung der Beklagten der Sterbevierteljahresbonus vom Erstattungsanspruch nicht erfasst werde.

Daraufhin bezifferte die Klägerin mit Schreiben vom 14.02.2014 ihren Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten auf 1.860,66 Euro (614,22 Euro für Dezember 2013, jeweils 623,22 Euro für Januar und Februar 2014). Hinsichtlich des Sterbevierteljahresbonus wurde die Beklagte um Überprüfung ihrer Rechtsauffassung gebeten.

Mit Schreiben vom 18.02.2013 teilte die Beklagte der Klägerin (ohne Rechtsbehelfsbelehrung) mit, dass man den geltend gemachten Erstattungsanspruch von 1.860,66 Euro aus der Nachzahlung der Witwenrente für die Beigeladene nur in Höhe von 537,45 Euro erfüllen könne. Dies entsprach der Witwenrente der Beigeladenen vom 01.12.2013 bis zum 28.02.2014 ohne den Sterbevierteljahresbonus. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass der Sterbevierteljahresbonus zu den gemäß § 83 Abs. 1 SGB XII nicht anrechnungsfähigen zweckbestimmten Leistungen gehöre.

Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 27.02.2014 "Widerspruch", der von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 01.04.2014 zurückgewiesen wurde. Der Widerspruch sei bereits unzulässig, weil das angefochtene Schreiben der Beklagten vom 18.02.2014 wegen des Gleichordnungsverhältnisses der Beteiligten keinen Verwaltungsakt darstelle, der mit Widerspruch angefochten werden könnte.

Daraufhin hat die Klägerin am 29.04.2014 Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben und beantragt, den "Bescheid" der Beklagten vom 18.02.2014 aufzuheben und diese zu verpflichten, ihr auch den Sterbevierteljahresbonus der Beigeladenen für die Monate Dezember 2013 bis Februar 2014 zu erstatten. In der Klageschrift vom 22.04.2014 sowie im weiteren Schriftsatz vom 09.07.2014 wird hierzu insbesondere auf die Ausführungen im Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) vom 21.12.2012, Az. L 4 SO 340/12 B ER, verwiesen, wonach die Witwenrente auch im Sterbevierteljahr keine gemäß § 83 Abs. 1 SGB XII anrechnungsfreie zweckbestimmte Leistung sei; denn der abstrakt-generelle Zweck des Sterbevierteljahresbonus, den zunächst eintretenden besonderen Bedarf des hinterbliebenen Ehegatten zu befriedigen, reiche für eine Zweckbestimmung gemäß § 83 SGB XII nicht aus.

Mit Beschluss vom 19.11.2014 ist A. zum Verfahren gemäß § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) notwendig beigeladen worden.

In der mündlichen Verhandlung vom 18.12.2014 hat der Beklagtenvertreter erklärt, dass die Beklagte den streitgegenständlichen Sterbevierteljahresbonus in Höhe von 803,04 Euro an die Beigeladene ausgezahlt habe.

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 18.12.2014 zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihr weitere 803,04 Euro zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur zu § 11 Abs. 3 Nr. 1 a) SGB II a.F. (bzw. deren Vorgängervorschriften § 194 Abs. 3 Nr. 3 SGB III und § 138 Abs. 3 Nr. 3 Arbeitsförderungsgesetz - AFG -) wonach der Sterbevierteljahresbonus zu den zweckbestimmten Leistungen im Sinne dieser Vorschriften gerechnet wurde. Zwar sei in den genannten Regelungen - anders als in § 83 Abs. 1 SGB XII - nicht von einer "ausdrücklichen" Zweckbestimmung die Rede gewesen. Allerdings verlange ...

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