Entscheidungsstichwort (Thema)

Überprüfungsantrag einer Regelaltersrente. früherer Rentenbeginn und rückwirkende Gewährung einer Rente nach dem ZRBG

 

Orientierungssatz

Bei Berechtigten des Personenkreises des § 1 ZRBG kann im Falle eines erstmaligen Rentenantrages noch vor Juli 2003 schon ab dem 1.7.1997 eine Rente beginnen, wenn bereits eine bestandskräftig gewordene Ablehnung des Rentenantrags vorlag und die Rente erst danach aufgrund eines Überprüfungsverfahrens unter Anwendung von § 44 SGB 10 oder § 100 Abs 4 SGB 6 bewilligt wurde.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 08.02.2012; Aktenzeichen B 5 R 42/11 R)

 

Tenor

1. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 04.05.2010 und Abänderung des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2010 sowie unter Rücknahme des Bescheides vom 08.06.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.01.2005 verurteilt, die Regelaltersrente der Klägerin insofern nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen neu festzustellen, als die Rente bereits am 01.07.1997 beginnt, und dementsprechend eine weitere Nachzahlung für die Zeit vom 01.07.1997 bis 31.12.2004 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.

3. Die Sprungrevision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob die der Klägerin nach den Vorschriften des ZRBG inzwischen bewilligte Regelaltersrente mit Rückwirkung und einer entsprechenden Nachzahlung erst ab dem 01.01.2005 zu beginnen hat, oder mit Rückwirkung schon ab dem 01.07.1997, mit der Folge einer gegebenenfalls weiteren Nachzahlung von ca. 12060,00 EUR für die Zeit vom 01.07.1997 bis 31.12.2004. Dass sich gegebenenfalls dann auch der bisherige Zugangsfaktor - auch für die laufende Rente - ändert, ist den Beteiligten mitgeteilt worden und durch eine Probeberechnung - auch hinsichtlich der tatsächlichen Auswirkungen - verdeutlicht worden.

Die Klägerin ist am 00.00.1922 geboren und als polnische Jüdin u. a. in Wilna nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes ausgesetzt gewesen; entsprechende Ersatzzeiten und Verfolgungszeiten sind für die Zeit ab dem 01.08.1941 im Versicherungsverlauf anerkannt.

Die Klägerin beantragte erstmals eine Rente aus der deutschen Rentenversicherung am 18.02.2003 bei der Beklagten. Sie machte im Antrag Ghetto-Beitragszeiten nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) geltend. Sie habe im Ghetto von Wilna (Wilno) während des dortigen Zwangsaufenthaltes in der Zeit ab August 1941 bis August 1943 in einer Schneiderwerkstatt als Arbeiterin gearbeitet und dafür Proviant bzw. Sachbezüge und anderes erhalten. Die Tätigkeit sei durch eigene Bemühungen aus freiem Willensentschluss zustande gekommen. Danach sei sie in ein Zwangsarbeitslager gekommen. Nach der im Jahr 1944 erfolgten Befreiung hielt sich die Klägerin noch eine gewisse Zeit in Polen auf und gelangte dann über Österreich im Sommer 1946 nach Deutschland, wo sie im DP-Lager Föhrenwald bis Januar 1948 blieb, von wo aus sie im Februar 1948 nach Palästina auswanderte und dort seit der Staatsgründung Israels als israelische Staatsangehörige lebt.

Mit dem Bescheid vom 08.06.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.01.2005 lehnte die Beklagte die Zahlung einer Rente ab, weil die Voraussetzungen zur Anerkennung von - auf die Wartezeit anrechenbaren - Beitragszeiten nach § 1 ZRBG nicht erfüllt seien. Es habe nämlich, so die Beklagte damals, eine "entgeltliche" Beschäftigung im Sinne des ZRBG nicht vorgelegen und überdies auch Zwangsarbeit.

Die gegen diese Bescheide am 08.02.2005 erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Mit Urteil vom 07.11.2006 wies das Sozialgericht Düsseldorf im Vorprozess die Klage ab und schloss sich im wesentlichen der Auffassung der Beklagten an, dass schon kein "Entgelt" im Sinne des § 1 ZRBG vorgelegen habe bzw. auch keine sonst auf die Wartezeit anrechenbare Beitragszeit. Die Berufung zum LSG für das Land Nordrhein-Westfalen (NRW) blieb ohne Erfolg; sie wurde vom LSG NRW mit Urteil vom 09.11.2007 zurückgewiesen. Auch das LSG NRW schloss sich der Auffassung der Beklagten an, dass jedenfalls eine "entgeltliche" Beschäftigung im Sinne des ZRBG nicht vorgelegen habe und ferner eine Beschäftigung nicht aus "eigenem Willensentschluss" zustande gekommen sei. Ihre Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundessozialgericht nahm die Klägerin mit Schriftsatz vom 17.03.2008 gegenüber dem Bundessozialgericht zurück.

Im Vorprozess hatte die Klägerin während des Berufungsverfahrens mitgeteilt, dass sie aus den geltend gemachten Ghetto-Zeiten keinerlei Leistungen aus einem System der sozialen Sicherung beziehe, weder von der israelischen Nationalversicherung noch einem sonstigen System der sozialen Sicherung (Schriftsatz vom 25.06.2007 - Blatt 142 der Vorprozessakte).

Wegen der Einzelheiten des Ablaufs des Vorprozesses wird Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen Vorprozessakte (mit den Aktenzeichen S 15 (27) R 74/05, L 4 R 1/02 und mit der Mitteilung des ...

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