Entscheidungsstichwort (Thema)
Überprüfungsantrag einer Regelaltersrente. früherer Rentenbeginn und rückwirkende Gewährung einer Rente nach dem ZRBG
Orientierungssatz
Bei Berechtigten des Personenkreises des § 1 ZRBG kann im Falle eines erstmaligen Rentenantrages noch vor Juli 2003 schon ab dem 1.7.1997 eine Rente beginnen, wenn bereits eine bestandskräftig gewordene Ablehnung des Rentenantrags vorlag und die Rente erst danach aufgrund eines Überprüfungsverfahrens unter Anwendung von § 44 SGB 10 oder § 100 Abs 4 SGB 6 bewilligt wurde.
Nachgehend
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 01.04.2010 und Abänderung des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2010 sowie unter Rücknahme des Bescheides vom 17.04.2004 verurteilt, die Regelaltersrente des Klägers insofern nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen neu festzustellen, als die Rente bereits am 01.07.1997 beginnt, und dementsprechend eine weitere Nachzahlung für die Zeit vom 01.07.1997 bis 31.12.2004 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
3. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob die dem Kläger nach den Vorschriften des ZRBG inzwischen bewilligte Regelaltersrente mit Rückwirkung und einer entsprechenden Nachzahlung erst ab dem 01.01.2005 zu beginnen hat, oder mit Rückwirkung schon ab dem 01.07.1997, mit der Folge einer gegebenenfalls weiteren Nachzahlung von ca. 14.227,50 EUR für die Zeit vom 01.07.1997 bis 31.12.2004. Dass sich gegebenenfalls dann auch der bisherige Zugangsfaktor - auch für die laufende Rente - ändert, ist den Beteiligten mitgeteilt worden und durch eine Probeberechnung - auch hinsichtlich der tatsächlichen Auswirkungen - verdeutlicht worden.
Der Kläger ist am 00.00.1927 in Radom geboren und als polnischer Jude in Radom und anderen Orten nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes ausgesetzt gewesen; entsprechende Ersatzzeiten und Verfolgungszeiten sind für die Zeit ab dem 01.04.1941 im Versicherungsverlauf anerkannt.
Der Kläger beantragte erstmals eine Rente aus der deutschen Rentenversicherung am 08.11.1999. Er machte im Antrag Ghetto-Beitragszeiten nach der RVO, hilfsweise nach dem SGB VI, in Verbindung mit Vorschriften des FRG und des WGSVG geltend. Er habe anlässlich seines erzwungenen Aufenthalts im Ghetto von Radom in der Zeit vom 01.04.1941 bis Oktober 1943 als Arbeiter in der AVL (Armeeversorgungslieferung) im Bekleidungsmagazin bzw. -lager, außerhalb des Ghettos, gearbeitet und dafür polnisches Geld und anderes erhalten. Danach sei er in ein Zwangsarbeitslager (Czkolna) gekommen, und später ins Konzentrationslager Auschwitz. Nach der im April 1945 erfolgten Befreiung hielt sich der Kläger noch eine gewisse Zeit in Polen auf und gelangte dann nach Deutschland, wo er im DP-Lager Stuttgart bis Sommer 1947 blieb, von wo aus er erst nach Palästina kam und wieder zurück nach Deutschland nach Hamburg, bis er im Juni 1948 endgültig nach Israel auswanderte, wo er nun als israelischer Staatsangehöriger lebt.
Mit dem Bescheid vom 21.07.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2002 lehnte die Beklagte die Zahlung einer Rente ab, weil die Voraussetzungen zur Anerkennung von - auf die Wartezeit anrechenbaren - Beitragszeiten nicht erfüllt seien. Es habe nämlich, so die Beklagte damals, schon eine "entgeltliche" Beschäftigung nicht vorgelegen und überdies auch Zwangsarbeit, also kein aus freiem Willen aufgenommenes Beschäftigungsverhältnis. Das FRG lasse daher hier keine Anrechnung von Beitragszeiten zu, auch nicht nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu Ghetto-Zeiten.
Die gegen diese Bescheide am Montag dem 15.07.2002 erhobene Klage hatte keinen Erfolg, auch nicht soweit sie sich jetzt nur noch gegen den weiteren Bescheid vom 17.04.2003 richtete, der während des erstinstanzlichen Vorprozesses erging und nach § 96 SGG zu dessen Verfahrensgegenstand wurde. Mit diesem Bescheid lehnte die Beklagte nun den weiteren Rentenantrag vom 25.07.2002 (Bl. 148, 166, 182 der Verwaltungsakte) ab, der auf das inzwischen in kraft getretene ZRBG gestützt wurde; die Beklagte lehnte damit die Anerkennung von auf die Wartezeit anrechenbaren ZRBG-Beitragszeiten aus den im Wesentlichen gleichen Gründen wie in den vorangegangenen Bescheiden ab. Mit Urteil vom 29.11.2004 wies das Sozialgericht Düsseldorf - nach Durchführung einer Zeugenvernehmung - im Vorprozess die Klage ab und schloss sich im wesentlichen der Auffassung der Beklagten an, dass jedenfalls kein potenziell versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 1 ZRBG ausreichend glaubhaft geworden sei. Die Berufung zum LSG für das Land Nordrhein-Westfalen (NRW) blieb ohne Erfolg; sie wurde mit Schriftsatz vom 17.12.2006 zurückgenommen.
Wegen der Einzelheiten des Ablaufs des Vorprozesses wird Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen Vorprozessakte (mit den Aktenzeichen...