Entscheidungsstichwort (Thema)
Fiktive Terminsgebühr bei Klagerücknahme nach außergerichtlichem Vergleich
Orientierungssatz
1. Die Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG entsteht u. a. dann, wenn das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet. Unterbreitet der Beklagte im gerichtlichen Verfahren ein Vergleichsangebot, das vom Kläger schriftsätzlich angenommen wird, so entsteh neben der Verfahrensgebühr die Einigungsgebühr, aber nicht die Terminsgebühr.
2. In einem solchen Fall entsteht eine sog. fiktive Terminsgebühr nicht in analoger Anwendung der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG, weil eine planwidrige Gesetzeslücke nicht besteht. Der Gesetzgeber hat in Nr. 3106 ausdrücklich und bewusst eine lex specialis geschaffen, die nicht im Weg eines unzulässigen Analogieschlusses beseitigt werden kann.
Tenor
Die Erinnerung gegen die Festsetzung der aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung vom 10.05.2005 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Beschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Im Streit ist die Frage, ob bei Beendigung eines Verfahrens durch Klagerücknahme nach Abschluss eines außergerichtlichen Vergleiches eine fiktive Terminsgebühr erstattungsfähig ist.
Streitgegenstand in dem zugrunde liegenden Klageverfahren war die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Dem Kläger wurde mit Beschluss des Gerichts vom 02.03.2006 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Erinnerungsführers bewilligt. Der Kläger hatte unter Zugrundelegung eines Anfang 2002 eingetretenen Leistungsfalles Rente wegen voller Erwerbsminderung geltend gemacht. Nach Durchführung der medizinischen Beweisaufnahme unterbreitete die Beklagte am 23.02.2007 einen schriftsätzlichen Vergleichsvorschlag, indem sie sich bereit erklärte, einen am 30.11.2004 eingetretenen Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung auf Dauer anzunehmen und auf dieser Grundlage Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer ab dem 01.12.2004 zu gewähren. Gleichzeitig erklärte sie sich bereit, die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten. Der Kläger nahm den Vergleichsvorschlag der Beklagten an und erklärte den Rechtsstreit für erledigt.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragte am 04.05.2007, folgende aus der Staatskasse zu zahlende Gebühren und Auslagen festzusetzen:
Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV 200,- Euro Einigungsgebühr Nr. 1006 VV 300,- Euro Terminsgebühr Nr. 3106/3104 Abs. 1 Ziffer 1 analog 200,- Euro Auslagenpauschale Nr. 7002 VV 20,- Euro Umsatzsteuer Nr. 7008 VV 136,80 Euro
Gesamtbetrag: 856,80 Euro hiervon 50 % 428,40 Euro
Mit Beschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 10.05.2007 wurden die zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 309,40 Euro festgesetzt. Dabei wurde eine Terminsgebühr nicht berücksichtigt, da ein Termin nicht stattgefunden habe und eine fiktive Terminsgebühr bei einem außergerichtlichen Vergleich in Nr. 3106 VV RVG nicht vorgesehen sei.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat gegen die Festsetzung Erinnerung eingelegt und sich zur Begründung auf ein Schreiben des Bundesjustizministeriums vom 21.02.2007 bezogen, aus dem sich seiner Auffassung nach ergebe, dass die bisherige Rechtsprechung nicht aufrechterhalten bleiben könne, wonach eine planwidrige Gesetzeslücke nicht vorliege und eine fiktive Terminsgebühr bei einem außergerichtlichen Vergleich nicht geltend gemacht werden könne.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
II.
Die nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) statthafte Erinnerung ist nicht begründet.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung in zutreffender Höhe nach § 55 Abs. 1 RVG festgesetzt. Eine vom Erinnerungsführer geltend gemachte Terminsgebühr war nicht festzusetzen.
Die Terminsgebühr richtet sich in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, nach Absatz 3 der Vorbemerkung 3 der Anlage zu § 2 Absatz 2 RVG ( Vergütungsverzeichnis VV) und nach Nr. 3106 VV RVG. Betragsrahmengebühren entstehen nach § 3 Absatz 1 Satz 1 RVG in den Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist. Im zugrunde liegenden Klageverfahren handelte es sich um die Klage eines Versicherten gegen den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, so dass das Verfahren nach § 183 Satz 1 SGG gerichtskostenfrei war und nach § 197 a Absatz 1 Satz 1 SGG keine Kosten nach dem Gerichtskostengesetz zu erheben waren.
Nach Absatz 3 der Vorbemerkung 3 VV RVG entsteht die Terminsgebühr für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin oder die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins oder die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts, wobei dies nicht für Besprechungen (allein) mit dem Auftraggeber gilt. In dem vorliegenden Verfahren hat weder ein Termin in...