Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Leistungsberechtigung. gewöhnlicher Aufenthalt im Inland. dreimonatiger Aufenthalt im Ausland. keine Begründung eines neuen oder weiteren gewöhnlichen Aufenthalts. vorausschauende Betrachtungsweise. fehlende Zukunftsoffenheit. Rückkehrwille. Intensität der persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen

 

Orientierungssatz

1. Ob jemand sich iS des § 30 Abs 3 S 2 SGB 1 gewöhnlich in einem Gebiet aufhält oder nur vorübergehend dort verweilt, lässt sich nur im Wege einer vorausschauenden Betrachtungsweise entscheiden. Dabei sind alle für die Beurteilung der künftigen Entwicklung bei Beginn eines streitigen Zeitraums erkennbaren Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen.

2. Bei der Prüfung der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts im Ausland sind insbesondere die Zukunftsoffenheit des Auslandsaufenthalts, der Rückkehrwille sowie die Intensität der persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen im In- und Ausland zu betrachten. Auf eine bestimmte Dauer des Auslandsaufenthalts kommt es dagegen nicht an.

 

Tenor

Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 28.01.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.07.2009 verurteilt, den Bescheid vom 26.05.2008 aufzuheben.

Der Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Kläger.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Grundsicherung nach dem 4. Kapitel des Sozialgesetzbuch - Zwölftes Buch (SGB XII) und einer Pflegebeihilfe nach dem 7. Kapitel des SGB XII für die Monate Juni und Juli 2008.

Die im Jahr 19xx und 19xx geborenen Kläger sind türkische Staatsangehörige. Sie beziehen seit Jahren ergänzend zu ihren Altersrenten Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII vom Beklagten. Die Klägerin zu 2) bezieht zudem eine Pflegebeihilfe. Mit Bescheid vom 20.02.2008 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen für die Zeit von Oktober 2007 bis September 2008 in Höhe von 594,49 Euro (Grundsicherung) und 154,50 Euro (Pflegebeihilfe).

Am 13.05.2008 ging beim Beklagten die Kopie einer Buchungsbestätigung eines Reisebüros ein, aus der ersichtlich war, dass die Kläger für den 25.05.2008 einen Flug nach Istanbul und für den 24.08.2008 einen Rückflug nach Düsseldorf gebucht hatten.

Mit Bescheid vom 26.05.2008 hob der Beklagte den Grundsicherungsbewilligungsbescheid ab dem 01.06.2008 gemäß § 48 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch (SGB X) aufgrund einer wesentlichen Änderung in den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen auf. Wie er bereits mit Schreiben vom 27.02.2008 mitgeteilt habe, bestehe auch während eines Urlaubs im Ausland Anspruch auf Grundsicherung. Vorausgesetzt sei, dass die Abwesenheit nicht die übliche Dauer eines Urlaubs überschreite. Er gehe davon aus, dass bei einem Auslandsaufenthalt von zwei Monaten oder länger der gewöhnliche Aufenthalt vorübergehend ins Ausland verlegt werde. Daher bestehe ab Juni 2008 kein Anspruch mehr auf Grundsicherung. Die Grundsicherung nach dem SGB XII sei keine Rente und könne daher nicht uneingeschränkt und ohne Rücksicht auf die Dauer des Auslandsaufenthalts weiter gezahlt werden.

Am 26.08.2008 stellten die Kläger erneut einen Antrag auf Grundsicherung. Der Beklagte bewilligte daraufhin mit Bescheid vom gleichen Tag für die Zeit vom 01.08.2008 bis 31.07.2009 wieder Leistungen der Grundsicherung und die Pflegebeihilfe.

Mit Schreiben vom 20.10.2008 forderten die Kläger den Beklagten durch ihren Prozessbevollmächtigten auf, die Leistungen für die Zeit von Juni bis August an sie auszuzahlen.

Der Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 23.10.2008 unter Hinweis auf den mit Bescheid vom 26.05.2008 aufgehobenen Bewilligungsbescheid ab.

Mit Schreiben vom 27.10.2008 erhoben die Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 26.05.2008. Dieser liege ihnen gar nicht vor, weshalb um Übersendung einer Kopie gebeten werde. Hilfsweise werde ein Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X gestellt. Es bestehe Anspruch auf ununterbrochene Leistungen, da der gewöhnliche Aufenthalt im Inland sei. Der Aufenthalt bleibe gewöhnlich, auch wenn sie drei Monate im Ausland seien. Auch werde für die vergangenen Jahre eine Überprüfung beantragt.

Der Beklagte teilte per Bescheid vom 28.01.2009 mit, dass die Überprüfung zu keinem anderen Ergebnis geführt habe und der Bescheid vom 26.05.2008 daher aufrecht erhalten werde.

Hiergegen erhoben die Kläger mit Schreiben vom 02.02.2009 Widerspruch unter Bezugnahme auf die bisher vorgebrachten Argumente.

Am 30.06.2009 erhoben die Kläger Untätigkeitsklage (Az.: S 2 SO 149/09), die nach Erlass des Widerspruchsbescheids am 15.07.2009 für erledigt erklärt wurde. Der Beklagte wies den Widerspruch als unbegründet zurück. Das Schreiben vom 27.10.2008 habe er auch als Widerspruch gegen die ohne entsprechenden Bescheid ebenfalls ab Juni 2008 eingestellte Zahlung der Pflegebeihilfe gewertet. Voraussetzung für die Leistungen sei, dass der Empfänger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland habe. Ein Transfer von öffentlichen Lei...

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