Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorausschauende Betrachtungsweise des Versicherungsträgers bei Feststellung einer Familienversicherung
Orientierungssatz
1. Eine Familienversicherung i. S. von § 10 SGB 5 ist ausgeschlossen, wenn der Betroffene über Einkommen verfügt, das die nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB 5 maßgebliche Grenze übersteigt.
2. Auch bei einer rückwirkenden Feststellung ist eine vorausschauende Betrachtung vorzunehmen. Konnte nach Aktenlage ausweislich ergangener Steuerbescheide auf vorhandenes Einkommen geschlossen werden, welches die nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB 5 maßgebliche Grenze überstieg, so war eine Familienversicherung ausgeschlossen.
3. Eine Rechtswidrigkeit der Feststellung des Nichtbestehens einer Familienversicherung aufgrund einer geltend gemachten Falschberatung kann im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs dann nicht festgestellt werden, wenn diese von dem Bestehen oder Nichtbestehen einer vertraglichen Vereinbarung abhängt. Eine Ersetzung von tatsächlichen Umständen kommt im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht in Betracht, vgl. BSG, 31. Oktober 2007 - B 14/11b AS 63/06 R.
Tenor
Die Bescheide der Beklagten vom 04.09.2009, 03.03. und 16.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.04.2011 werden aufgehoben, soweit vom Kläger die Erstattung von Leistungen in Höhe von 9.654,70 EUR verlangt wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten zu ½.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beigeladene trotz Einkommens aus Vermietung und Verpachtung über den Kläger bei der Beklagten familienversichert war und ob die Beklagte Leistungen, die sie im Hinblick auf diese Familienversicherung der Beigeladenen gewährt hat, vom Kläger erstattet verlangen kann.
Der am 23.09.19xx geborene Kläger ist der Ehemann der am 21.08.19xx geborenen Beigeladenen. Beide sind seit 1965 verheiratet. Der Kläger ist Mitglied bei der Beklagten, aktuell als Rentner. Die Beigeladene ist über den Kläger seit dem 03.10.1984 familienversichert.
Sowohl der Kläger als auch die Beigeladene erzielen seit Jahren und nahezu ausschließlich Einkommen aus Vermietung und Verpachtung. Die Beigeladene ist Eigentümerin mehrerer Mietshäuser. Jedenfalls seit 1999 beläuft sich das Einkommen der Beigeladenen aus Vermietung und Verpachtung durchgängig auf einen Betrag, der oberhalb der jeweils gültigen Grenze nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Sozialgesetzbuchs (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - liegt (Erstellungsdatum des ältesten aktenkundigen Einkommensteuerbescheids - desjenigen für 1999 -: 02.02.2001).
Jedenfalls seit März 1999 hat der Kläger jährlich das Formular "Angaben zur Feststellung der Familienversicherung" an die Beklagte übersandt. Bis auf die Jahre 2000 und 2001 wurden diese Formulare immer vom Kläger allein unterschrieben. Die Felder zum Einkommen der Beigeladenen sind jeweils durchgestrichen und mit dem handschriftlichen Zusatz "Hausfrau" versehen.
Im Zusammenhang mit der Beratung des Klägers zu einer freiwilligen Mitgliedschaft Anfang 2008 erhielt die Beklagte Kenntnis vom Einkommensteuerbescheid des Klägers und der Beigeladenen für das Jahr 2005. Im Folgenden ließ sie sich sämtliche Einkommensteuerbescheide ab 1999 vorlegen. Der Kläger erklärte, vor 1999 habe die Beigeladene keine Einnahmen über der nach § 10 SGB V maßgeblichen Grenze gehabt. Mit notarieller Urkunde vom 20.07.2009 ließ sich der Kläger das lebenslange Nießbrauchsrecht an den Immobilien der Beigeladenen einräumen, was ab diesem Zeitpunkt zu einer steuerrechtlichen Berücksichtigung des Einkommens aus Vermietung und Verpachtung bei ihm führte.
Nach Anhörung vom 20.07.2009 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 04.09.2009 gegenüber dem Kläger fest, dass eine Familienversicherung der Beigeladenen nur bis 1999 vorliege. Ab April 2007 sei die Beigeladene im Rahmen der Bürgerversicherung zu versichern. Die Beklagte kündigte an, die an die Beigeladene im Zeitraum 1999 bis März 2007 erbrachten Leistungen zurückzufordern. Am 23.09.2009 legte der Kläger gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Ab 2007 könne die Beklagte die Feststellung noch nicht treffen, da noch keine Unterlagen diesbezüglich vorlägen. Was die angekündigte Rückforderung angehe, so scheide diese aus, da er sich bei Eingang der Fragebögen zur Familienversicherung immer telefonisch bei seinem jeweiligen Sachbearbeiter nach dem Grund für diese Angaben erkundigt habe. Die jeweiligen Sachbearbeiter hätten dann gefragt, was die Beigeladene beruflich mache. Auf seine Angabe, dass sie Hausfrau sei, sei ihm gesagt worden, dass er dann den Bogen durchstreichen könne. Er habe außerdem gegenüber einem Sachbearbeiter gesagt, dass am Ende des Jahres bei der Steuer ohnehin alles zusammenlaufe. Das sei ihm vom Sachbearbeiter bestätigt worden.
Unter dem 01.10.2009 übersandte die Beigeladene der Beklagten eine "Anzeige zur Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V". Nach Beiziehung weiterer Unterlagen übersandte die Beklagte dem Kläger unter de...