Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Familienversicherung. rückwirkende Beendigung. Einkommen aus Vermietung und Verpachtung. Überschreitung der Einkommensgrenze. Vorliegen einer Regelung iS eines Verwaltungsaktes
Leitsatz (amtlich)
Zur rückwirkenden Beendigung der Familienversicherung nach § 10 SGB 5 bei der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.
Orientierungssatz
Eine Regelung im Sinne eines Verwaltungsaktes nach § 31 SGB 10 liegt vor, wenn die Behörde eine potentiell verbindliche Rechtsfolge gesetzt hat. Dabei ist die Erklärung der Behörde unter entsprechender Anwendung der Grundsätze über die Auslegung von Willenserklärungen auszulegen. Maßgebend ist daher der objektive Sinngehalt der Erklärung, wie der Empfänger sie bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls objektiv verstehen musste (vgl BSG vom 29.10.1992 - 10 RKg 4/92 = SozR 3-1300 § 50 Nr 13 und BSG vom 12.12.2001 - B 6 KA 3/01 R = BSGE 89, 90 = SozR 3-2500 § 82 Nr 3).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 28.03.2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die rückwirkende Beendigung der Familienversicherung seiner Ehefrau, der Beigeladenen, in seiner freiwilligen Versicherung bei der Beklagten zum 01.01.2006.
Der Kläger ist bei der Beklagten als freiwilliges Mitglied krankenversichert. Die 1961 geborene Beigeladene wird seit 27.11.1997 bei der Beklagten als familienversichertes Mitglied geführt. Ein Bescheid über das Bestehen und den Beginn der Familienversicherung ist nicht ergangen. Im Rahmen von Einkommensabfragen teilte der Kläger der Beklagten lediglich mit, dass seine Ehefrau Einkünfte aus geringfügiger Beschäftigung habe (zuletzt mit Fragebogen vom 21.12.2007 für das Jahr 2006: 400 €). Nach den Einkommenssteuerbescheiden für die Jahre 2004 und 2005 vom 16.12.2005 bzw 17.10.2006 hatten die Eheleute negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Nach dem Einkommenssteuerbescheid für 2006 vom 04.09.2007 entfielen auf die Beigeladene Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 1.137 €. Die Einkommenssteuerbescheide hatte der Kläger zur Berechnung der Höhe seiner freiwilligen Beiträge vorgelegt.
Im Januar 2009 prüfte die Beklagte die Voraussetzungen für das Vorliegen der Familienversicherung und stellte fest, dass die Beigeladene im Jahr 2006 neben den Einkünften aus geringfügiger Beschäftigung Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung hatte.
Mit Schreiben vom 13.03.2009 teilte die Beklagte dem Kläger ua mit: “Die Voraussetzungen für die Familienversicherung müssen wir jährlich rückwirkend auf der Grundlage ihres Steuerbescheids überprüfen, entscheidend ist hierbei das veranlagte Jahr. Ihre Frau G. war bisher über die Familienversicherung beitragsfrei versichert - diesen Vorteil können wir Ihnen rückwirkend ab 01.01.2006 leider nicht mehr bieten, da das Einkommen Ihrer Frau aus Vermietung und Verpachtung und dem Minijob die Einkommensgrenze übersteigt, wie aus dem Steuerbescheid für 2006 hervorgeht. Ab diesem Tag muss Ihre Frau sich deshalb selbst versichern.„ Das Schreiben enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung.
Mit seinem Widerspruch vom 02.04.2009 machte der Kläger geltend, im Rahmen der jährlich anzugebenden Einkommensverhältnisse habe er stets eine pflichtgemäße Schätzung der Einkommen auch außerhalb des Arbeitsverhältnisses angenommen. Aufgrund der konkreten Ausgaben und Abschreibungssituation für das Mietobjekt sei davon auszugehen gewesen, dass auch weiterhin keine positiven Mieteinnahmen zufließen würden. Nach der vom Bundessozialgericht (BSG) aufgestellten Grundsatz der vorausschauenden Betrachtungsweise sei eine rückwirkende Beendigung der Familienversicherung nicht zulässig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.06.2009 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Familienversicherung ende kraft Gesetzes mit dem Wegfall der Voraussetzungen. Es sei in der Rechtsprechung des BSG anerkannt, dass das Fehlen der Voraussetzungen für die Familienversicherung auch rückwirkend festgestellt werden könne. Ab 2006 sei bei der Beigeladenen von einem monatlichen Einkommen von 494,75 € auszugehen, so dass das zulässige Gesamteinkommen aus geringfügiger Beschäftigung von 400 € überschritten worden sei.
Hiergegen richtet sich die am 17.06.2009 zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobene Klage. Ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen macht die Klägerin geltend, dass das Schreiben vom 13.03.2009 schon keinen Verwaltungsakt darstelle, da es an einer Regelung fehle. Aus dem Wortlaut sei nicht erkennbar, was die Beklagte eigentlich bewirken wolle. Auch bei Bejahung eines Verwaltungsakts sei dieser unwirksam ua wegen fehlender Beachtung der Rücknahmevorschriften der §§ 45 ff Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Zudem gelte bei Einschätzung der Familienversicherung eine vorausschauende Betrachtungsweise ...