Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Verfassungsmäßigkeit der Neubemessung des Regelbedarfs für Alleinstehende
Orientierungssatz
Die Neubemessung des Regelbedarfs für alleinstehende Hilfebedürftige in der zum 1.1.2011 in Kraft getretenen Fassung des § 20 Abs 2 S 1 SGB 2 entspricht auch unter Berücksichtigung des Urteils des BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua = BVerfGE 125, 175 = NJW 2010, 505 den verfassungsrechtlichen Vorgaben.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Verfassungsmäßigkeit der dem Kläger gewährten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Der ... 1961 geborene Kläger steht im Leistungsbezug nach dem SGB II. Er Kläger lebt zusammen mit seinen Eltern (geboren ... 1939 und ... 1938) in D... in einer Wohnung, deren Grundmiete 313,59 EUR zuzüglich eines Heizkostenabschlages in Höhe von 91,86 EUR und einer Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 115,41 EUR beträgt. Die Wohnung wird mit Erdgas beheizt. Der Vater des Klägers bezieht eine Altersrente in Höhe von 1.136,32 EUR.
Der Kläger steht schon seit längerem im SGB II Leistungsbezug. Er verfügt über kein Einkommen und ist gesetzlich kranken- und pflegeversichert.
Auf seinen Fortzahlungsantrag vom 20.09.2010 bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Leistungsbescheid vom 05.10.2010 Leistungen in Höhe von 532,62 EUR für den Zeitraum vom 01.11.2010 bis zum 30.04.2011. Mit Änderungsbescheid vom 26.03.2011 passte die Beklagte die Leistungen rückwirkend ab dem 01.01.2011 an die mit dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011, BGBl S. 453 (im Folgenden RBEG) neuen Regelbedarfe an und erhöhte die Leistungen für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis zum 30.04.2011 auf 537,62 EUR. Davon leistete sie 364 EUR als Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes und 173,62 EUR als Kosten der Unterkunft.
Auf den nächsten Fortzahlungsantrag des Klägers vom 17.03.2011 verlängerte die Beklagte mit dem Leistungsbescheid vom 29.03.2011 die Leistungen in gleicher Höhe für den Zeitraum vom 01.05.2011 bis zum 31.10.2011.
Mit seinem Widerspruch vom 08.04.2011 wandte sich der Kläger sowohl gegen den Änderungsbescheid vom 26.03.2011 als auch gegen den Bewilligungsbescheid vom 29.03.2011 mit der Begründung, die Leistungen seien verfassungswidrig zu niedrig.
Die Beklagte wies die Widersprüche mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 21.04.2011 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Leistungsbewilligung dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 (RBEG) entspreche. Da alles Verwaltungshandeln an Recht und Gesetz gebunden sei, sei der Bescheid nicht zu beanstanden. Eine Verfassungswidrigkeit könne sie nicht erkennen.
Mit den beiden am 02.05.2011 eingegangenen Klagen verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Das Gericht hat die beiden Klagen mit Beschluss vom 14.12.2011 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Der Kläger trägt vor, dass die Ermittlung der Höhe der Regelbedarfe nach dem RBEG nicht den vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 aufgestellten verfassungsrechtlichen Vorgaben genügten. Insbesondere sieht er Verfassungsverstöße in der Festlegung der Referenzgruppen, aus deren Konsumverhalten der Gesetzgeber die Höhe des Bedarfs zur Sicherung der Lebensgrundlage abgeleitet hat. Diese Gruppe sei falsch gewählt, da weder Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, noch Leistungsberechtigte nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz noch “Aufstockerhaushalte„ noch “verdeckt Arme„ aus der Referenzgruppe ausgenommen worden seien. Ferner sei die Entscheidung, die unteren 20% bzw. die unteren 15 % der Referenzgruppe als Maßstab anzulegen, willkürlich. Die dem RBEG zugrundeliegende Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008 (EVS 2008) sei überdies anders ermittelt als die dem Urteil des BVerfG vom 09.02.2010 zugrundeliegende EVS 1998 und werde dessen Vorgaben nicht gerecht. Im Übrigen seien das Warenkorbmodell und das Statistikmodell bei der Berechnung vermischt worden.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 26.03.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.04.2011 und den Bescheid vom 29.03.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.04.2011 abzuändern und dem Kläger für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis zum 31.10.2011 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II, mindestens einen Betrag in Höhe von 407 EUR monatlich zuzüglich der gewährten Kosten der Unterkunft und Heizung, zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf die bereits im Widerspruchsverfahren vertretene Rechtsauffassung.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen, die Gegenstand der mündli...