Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Höhe der fiktiven Terminsgebühr bei Annahme eines Anerkenntnisses. Einigungsgebühr. Erledigungsgebühr
Leitsatz (amtlich)
Die fiktive Terminsgebühr ist bei Beendigung des Rechtsstreits durch Annahme eines Anerkenntnisses regelmäßig mit der halben Mittelgebühr angemessen vergütet.
Orientierungssatz
1. Die Einigungsgebühr entsteht ua für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Der "Abschluss eines Vertrags" setzt zwei aufeinander gerichtete Willenserklärungen, Angebot und Annahme, voraus. Nicht ausreichend ist es, wenn die Beteiligten voneinander unabhängige Prozesserklärungen abgeben.
2. Eine Erledigterklärung ist, ebenso wie auch eine Klagerücknahme oder die Annahme eines Anerkenntnisses, keine über die allgemeine Prozessführung hinausgehende Mitwirkung des Rechtsanwalts an der Erledigung.
Tenor
Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Erinnerung des Rechtsanwalts des Klägers (im weiteren Erinnerungsführerin) in dem Hauptsacherechtsstreit vor dem hiesigen Sozialgericht - S 26 AS 40/13 - gegen die Festsetzung seiner Vergütung durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 1. September 2014 ist nach § 56 Abs. 1 Satz 1 RVG zulässig, jedoch nicht begründet. Der Erinnerungsführer hat keinen Anspruch gegen die Staatskasse auf eine höhere Vergütung als die festgesetzten 177,31 Euro.
Die Vergütung des Erinnerungsführers ist gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG nach dem bis zum 31. Juli 2013 gültigen RVG zu berechnen, da er durch die Kammervorsitzende mit Wirkung ab 22. Februar 2013 und damit vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung zum 1. August 2013 beigeordnet worden war.
Unstreitig sind im vorliegenden Verfahren eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV-RVG, eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG sowie die Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV-RVG und Schreibauslagen nach Nr. 7000 VV-RVG angefallen. Davon streiten die Beteiligten allein um die Höhe der Terminsgebühr. Darüber hinaus begehrt der Erinnerungsführer weiterhin die Festsetzung seiner mit Kostennote vom 4. Juli 2014 geltend gemachten Einigungsgebühr.
Zu Recht hat die Urkundsbeamtin die vom Erinnerungsführer geltend gemachte Einigungsgebühr gem. Nr. 1000 VV-RVG iVm Nr. 1006 VV-RVG abgesetzt. Die Gebühr entsteht - soweit hier einschlägig - für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Zum einen handelt es sich bei der Erklärung des Beklagten, von der Rückforderung des Zuschusses zum Kauf eines PKWs Abstand zu nehmen, im Ergebnis um das uneingeschränkte Anerkenntnis der geltend gemachten Klageforderung. Zum anderen fehlt es am Abschluss eines Vertrages. Der Abschluss eines Vertrages setzt zwei aufeinander gerichtete Willenserklärungen, Angebot und Annahme voraus. Nicht ausreichend ist dagegen, wenn die Beteiligten voneinander unabhängige Prozesserklärungen abgeben (vgl. Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, 20. Auflage, Nr. 1000 VV RVG RdNr. 35; LSG Sachsen, Beschluss vom 6. Dezember 2013 - L 8 AS 527/AS -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25. März 2013 - L 7 AS 1391/12 B -, alle veröffentlicht in juris).
Eine entsprechende vertragliche Einigung zur Beendigung des Klageverfahrens S 26 AS 40/13 haben die Beteiligten vorliegend nicht getroffen.
Im Ergebnis war eine Einigungsgebühr daher nicht festzusetzen.
Auch die Festsetzung einer Erledigungsgebühr gem. Nr. 1002 VV-RVG iVm Nr. 1006 VV-RVG anstelle einer Einigungsgebühr kam nicht in Betracht. Eine Erledigungsgebühr entsteht, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (zur Erledigungsgebühr im Vorverfahren vgl. zuletzt Urteil vom 14. Februar 2013 - B 14 AS 62/12 R - juris RdNr. 23 m. w. N) erfordert ihr Entstehen eine qualifizierte, erledigungsgerichtete Mitwirkung des Rechtsanwalts, die über das Maß desjenigen hinausgeht, das schon durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im sozialgerichtlichen Verfahren abgegolten wird. Auch das zwischenzeitlich in Kraft getretene 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 29. Juli 2013 (BGBl. I S. 2586) hat - ohne dass es hier direkt anzuwenden wäre (vgl. § 60 RVG) - an den tatbestandlichen Voraussetzungen im Übrigen nichts geändert (vgl. zum Ganzen: Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 6. Dezember 2013 - L 8 AS 527/13 B KO -, juris). Die Anregung der Bundesrechtsanwaltskammer und des Deutschen Anwaltsvereins, im Gesetz de lege ferenda “klarzustel...