Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. schriftlicher Vergleich. Höhe der Einigungsgebühr. Sprachschwierigkeiten des Mandanten. Terminsgebühr
Orientierungssatz
1. Ist die Erörterung des von der Gegenseite übermittelten Vergleichsangebotes mit dem Mandanten wegen dessen Sprachschwierigkeiten besonders aufwändig, ist dies bei der Bemessung der Höhe der festzusetzenden Einigungsgebühr zu berücksichtigen.
2. Zur Frage der Festsetzung einer Terminsgebühr bei Beendigung des Verfahrens durch schriftlichen Vergleich.
Tenor
Auf die Erinnerung des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 15. August 2011 - S 10 R 458/06 - abgeändert und die dem Kläger von der Beklagten zu erstattenden Kosten auf 339,15 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Streitig ist die Höhe der zu Gunsten des Klägers erstattungsfähigen Kosten in dem erledigten Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main - S 10 R 458/06 -. Konkret streiten die Beteiligten um die Höhe der Einigungsgebühr sowie um die Festsetzung der Terminsgebühr bei Beendigung des Verfahrens durch schriftlichen Vergleich.
Mit seiner am 19. Juni 2006 erhobenen Klage (anwaltliche Klageschrift vom 14. Juni 2006) begehrte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI). Mit Schriftsatz vom 2. Mai 2011 unterbreitete die Beklagte dem Kläger folgendes Vergleichsangebot:
1. Die Beklagte erkennt an, dass seit dem 13.10.2010 eine volle Erwerbsminderung vorliegt.
2. Dementsprechend gewährt die Beklagte vom 01.05.2011 bis zum 30.04.2014 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit gemäß § 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) VI im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften.
3. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten im Sinne des § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) werden von der Beklagten für das Klageverfahren zu ½ übernommen.
4. Mit der Annahme dieses Angebots betrachten die Beteiligten den Rechtsstreit als erledigt.
Dieses Angebot nahm der Kläger vertreten durch seinen Bevollmächtigten mit anwaltlichem Schriftsatz vom 16. Mai 2011 an. Gleichzeitig machte der Rechtsanwalt in eigener Sache Kosten in Höhe von insgesamt 487,90 Euro geltend. Im Einzelnen:
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Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3103 VV-RVG |
300,00 Euro |
Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV-RVG |
250,00 Euro |
Einigungsgebühr gemäß Nr. 1006 VV-RVG |
250,00 Euro |
Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV-RVG |
20,00 Euro |
Zwischensumme |
820,00 Euro |
19 % Mehrwertsteuer gemäß Nr. 7000 VV-RVG |
155,00 Euro |
Summe |
975,80 Euro |
Davon ½ |
487,90 Euro |
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 15. August 2011 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des hiesigen Gerichts die Kosten auf insgesamt 303,45 Euro festgesetzt. Im Einzelnen:
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Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 RVGVZ |
300,00 Euro |
Einigungsgebühr gemäß Nr. 1006 RVGVZ |
190,00 Euro |
Entgeltpauschale gemäß Nr. 7002 RVGVZ |
20,00 Euro |
19 % Umsatzsteuer von 510,00 Euro gemäß Nr. 7008 RVGVZ |
96,90 Euro |
Summe |
606,90 Euro |
Davon ½ |
303,45 Euro |
Dieser Kostenfestsetzungsbeschluss ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 17. August 2011 zugestellt worden.
Hiergegen richtet sich die am 29. August 2011 erhobene Erinnerung (Erinnerungsschriftsatz vom 23. August 2011). Mit dieser wendet sich der Kläger gegen die Höhe der Einigungsgebühr sowie die Absetzung der fiktiven Terminsgebühr. Hinsichtlich der Terminsgebühr führt er aus, der Wortlaut des Gesetzes erlaube diese Gebühr auch bei einem Teil-Anerkenntnis in Ansatz zu bringen. Eine restriktive Interpretation des Gesetzeswortlautes sei nicht angesagt. In allen anderen Gebührenangelegenheiten werde das Bemühen des Rechtsanwaltes, eine mündliche Verhandlung überflüssig zu machen, dadurch honoriert, dass eine fiktive Terminsgebühr in Ansatz gebracht werde. Es sei systemwidrig, wenn es bei sozialgerichtlichen Streitigkeiten anders interpretiert würde. Der Hinweis des Gerichts, dass mit einem Teil-Anerkenntnis das Verfahren nicht abgeschlossen werde, könne nicht überzeugen. Es gehe nicht darum, ob das Verfahren an sich zum Abschluss gebracht werde, sondern darum ob es ohne die ansonsten nötige mündliche Verhandlung zum Abschluss gebracht werde. Ferner wies der Prozessbevollmächtigte des Klägers daraufhin, dass die besonderen Schwierigkeiten auf Grund der mangelnden Beherrschung der deutschen Sprache und der völligen Unkenntnis des deutschen Gerichtswesens auf Seiten des Klägers zu berücksichtigen gewesen seien.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die gewechselten Schriftsätze, sowie die Gerichtsakte - S 10 R 458/06 - (2 Bände), der Gerichtsakte - S 6 R 436/08 - (1 Band) sowie der Kostenakte - S 7 SF 279/11 E - Bezug genommen.
II.
Der vom Kläger form- und fristgerecht erhobene, gemäß § 197 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als Erinnerung statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbehelf ist im tenorierten Umfang begründet.