Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Untätigkeitsklage. Verfahrensgebühr. Pauschalierung. hälftige Mittelgebühr. keine Gebührenreduzierung aufgrund der Befassung des Bevollmächtigten im Vorverfahren. kein Anfall einer Terminsgebühr nach Nr 3106 RVG-VV

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Verfahrensgebühr bei Untätigkeitsklagen ist pauschalisierend regelmäßig mit der Hälfte der Mittelgebühr anzusetzen (vgl LSG Darmstadt vom 13.1.2014 - L 2 AS 250/13 B; vom 21.3.2012 - L 2 AS 517/11 B = NZS 2012, 678 und vom 6.2.2012 - L 2 R 2/11 B).

2. Die aus der Befassung des Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren bestehenden Vorkenntnisse wirken sich auf Umfang und Schwierigkeit der Untätigkeitsklage nur marginal aus und führen nicht zu einer Reduzierung der Verfahrensgebühr.

3. Bei einer Untätigkeitsklage entsteht keine Terminsgebühr nach Nr 3106 S 2 Nr 3 VV RVG (juris: RVG-VV), denn es ist nicht von einer Erledigung des Rechtsstreits durch angenommenes Anerkenntnis nach § 101 Abs 2 SGG auszugehen (vgl BSG vom 10.10.2017 - B 12 KR 3/16 R).

 

Tenor

Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 05.11.2015 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Erinnerungsführer wendet sich gegen die Höhe der Kostenfestsetzung gegenüber dem Beklagten. Streitig sind die Höhe der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG und die Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG im Rahmen einer Untätigkeitsklage.

In dem zugrundeliegenden Hauptsacheverfahren ging es um eine am 18.12.2014 erhobene Untätigkeitsklage (Az.: S 9 AS 2138/14), die auf Bescheidung eines Widerspruchs vom 16.09.2014 gegen den Bescheid vom 10.09.2014 gerichtet war. Der Beklagte teilte im Februar 2015 mit, es würden noch weitere Unterlagen angefordert und beschied nach einem weiteren Fristverlängerungsantrag den Widerspruch mit Abhilfebescheid vom 18.05.2015. Dies teilte er im Rahmen der Untätigkeitsklage mit und erklärte, die Klage dürfe damit erledigt sein. Mit Schriftsatz vom 20.05.2015 erklärte der Kläger den Rechtsstreit für erledigt. Der Beklagte erkannte die Kostentragungspflicht an.

Am 25.06.2015 beantragte der Klägerbevollmächtigte die Kostenfestsetzung inkl. Verzinsung in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz und machte folgende Kosten geltend:

Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG  150,00 €

Fiktive Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG  135,00 €

Pauschale Post u. Telekommunikation,

Nr. 7002 VV RVG 20,00 €

Zwischensumme 305,00 €

MwSt. 19 %, Nr. 7008 VV RVG 57,95 €

Gesamtbetrag 362,95 €

Der Beklagte wies mit Schreiben vom 04.08.2015 darauf hin, dass im Falle der Untätigkeitsklage nur eine doppelte Mindestgebühr und eine fiktive Terminsgebühr in Ansatz zu bringen sei. Sollte man dieser Ansicht nicht folgen, sei zu beachten, dass der Prozessbevollmächtigte den Kläger bereits im Vorverfahren vertreten habe. Hierdurch seien zu berücksichtigende Synergieeffekte entstanden.

Der Urkundsbeamte des Gerichts setzte die Kosten mit Beschluss vom 05.11.2015 auf 249,90 € fest. Dabei berücksichtigte er folgende Positionen:

Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG 100,00 €

Fiktive Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG 90,00 €

Pauschale Post u. Telekommunikation,

Nr. 7002 VV RVG 20,00 €

Zwischensumme 210,00 €

MwSt. 19 %, Nr. 7008 VV RVG 39,90 €

Gesamtbetrag 249,90 €

Die Gebührenfestsetzung richte sich gem. § 60 RVG nach dem seit dem 01.08.2013 gültigen Recht. Die Untätigkeitsklage sei zwar grundsätzlich entsprechend der Rechtsprechung des Kostensenats bei dem Hessischen Landessozialgericht (Beschluss v. 06.02.2012 - L 2 R 2/11 B) mit dem hälftigen Mittelwert in Höhe von 150 € zu bemessen. Da der Prozessbevollmächtigte den Kläger zuvor im Widerspruchsverfahren vertreten habe, seien jedoch Synergieeffekte entstanden, welche die Gebühren mindernd zu berücksichtigen seien. Die Verfahrensgebühr sei auf 100,00 € festzusetzen.

Entsprechend der Rechtsprechung des Hessischen LSG (Beschluss v. 13.01.2014 - L 2 AS 250/13 B) sei auch eine Terminsgebühr festzusetzen, da die Frist des § 88 SGG für die Untätigkeitsklage bei Klageerhebung abgelaufen gewesen sei und kein zureichender Grund für die verspätete Bescheidung vorliege. Der übereinstimmenden Erledigungserklärung der Parteien komme die Wirkung eines Anerkenntnisses zu. Nach Satz 2 der Anmerkung zu Nr. 3106 RGVZ in der seit 01.08.2013 gültigen Fassung betrage die Terminsgebühr 90 % der in derselben Angelegenheit dem Rechtsanwalt zustehenden Verfahrensgebühr.

Mit der am 09.11.2015 eingelegten Erinnerung begehrt der Kläger weiter die durch seinen Prozessbevollmächtigten geltend gemachten Kosten. Synergieeffekte durch das Widerspruchsverfahren seien nicht zu berücksichtigen, denn der Gesetzgeber habe durch die Neufassung des RVG abschließend geregelt, wann Synergieeffekte auf Grund einer vorherigen Tätigkeit im Vorverfahren typisierend zu einer Reduzierung der Verfahrensgebühr führen. Dies verdeutliche insbesondere die Aufhebung des alten Gebührentatbestandes Nr. 3103 VV RVG und folge aus Art. 12 GG, wonach aus der Berufsfreiheit des Anwalte...

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