Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Arzneimittel. Herstellerabschlag. Unanwendbarkeit der Arzneimittelpreisverordnung. Vertriebsweg über Apotheke

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Erhebung eines Abschlages nach § 130a Abs 1 S 1 und Abs 1a SGB 5 setzt einen einheitlichen Herstellerabgabepreis voraus. Die Erhebung des sog Herstellerabschlags unterbleibt, wenn ein einheitlicher Herstellerabgabepreis (mangels Anwendbarkeit der Arzneimittelpreisverordnung -AMPreisV) nicht gilt.

2. Die Unanwendbarkeit der AMPreisV nach § 1 Abs 3 Nr 3 AMPreisV iVm § 47 Abs 1 Nr 2a Arzneimittelgesetz (AMG) setzt voraus, dass das Arzneimittel vom pharmazeutischen Unternehmer und Großhändler an Ärzte oder Krankenhäuser abgegeben wird. Die bloße durch das Gesetz eingeräumte Möglichkeit der Abgabe an diese genügt nicht für die Unanwendbarkeit des AMPreisV.

3. Somit ist beim Vertriebsweg des Arzneimittels über die Apotheke der Anwendungsbereich der AMPreisV eröffnet, womit in diesem Fall ein einheitlicher Herstellerabgabepreis gilt und ein Herstellerabschlag abzuführen ist.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 27.10.2009; Aktenzeichen B 1 KR 7/09 R)

 

Tenor

Die Klagen werden abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Der Kläger ist Inhaber der X-Apotheke in XF. Er gab im Jahr 2004 (Januar bis August 2004) das Arzneimittel Berinert ® P von der ZLB B. GmbH auf vertragsärztliche Verordnungen an die bei der Beklagten Krankenversicherten ab (Rezeptkopien Bl. 12 bis 16 Gerichtsakte; Aufstellung des Klägervertreters Bl. 11 Gerichtsakte). Bei Berinert ® P handelt es sich um das aus menschlichem Plasma gewonnene Plasmaglycoprotein C1-Esterase-Inhibitor, das intravenös injiziert oder infundiert zur Behandlung des erblichen Angioödems eingesetzt wird (vgl. Fachinformation der ZLB Behring, Bl. 18 Gerichtsakte).

Hierbei führte der Kläger keinen Herstellerabschlag nach § 130 a Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) an die Beklagte ab. Daraufhin stellte die Beklagte dem Kläger die entsprechenden Differenzbeträge (Herstellerrabatt für die Monate Januar bis August 2004) im Rahmen der Retaxierung in Rechnung (Bescheide vom 20.10.2004, Bl. 115 Verwaltungsakte, 12.11.2004, Bl. 78 Verwaltungsakte, 21.12.2004, Bl. 55 und 133 Verwaltungsakte, 17.02.2005, Bl. 39 Verwaltungsakte, und 10.03.2005, Bl. 19 Verwaltungsakte), gegen die der Kläger jeweils Einspruch einlegte (Bl. 131 Verwaltungsakte, Bl. 113 Verwaltungsakte, Bl. 73 Verwaltungsakte, Bl. 51 Verwaltungsakte, Bl. 37 Verwaltungsakte, Bl. 16 Verwaltungsakte). Hierin berief er sich darauf, dass laut beiliegendem Schreiben der Firma ZLB B. und laut Briefwechsel des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) das Präparat Berinert ® P von der Gewährung des Herstellerrabatts ausgenommen sei. Diese Auffassung und die entsprechende Einstufung dieses Arzneimittels würden auch vom Regierungspräsidium D., Abteilung Arzneimittel, geteilt.

Mit Schreiben vom 22.03.2005 (Bl. 113 Verwaltungsakte) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass seinen Einsprüchen/Widersprüchen nicht stattgegeben werden könne. Die Retaxierung sei auf der Grundlage des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG), gültig seit dem 01.01.2004, unter Berücksichtigung von § 130 SGB V sowie § 130 a SGB V erfolgt. Für pharmazeutische Hersteller (§ 130 a SGB V) seien Abschläge eingeführt worden, die auf bestimmte Arzneimittelgruppen anzuwenden seien. Die Rabatte aller Handelsstufen seien von den Apotheken an die Krankenkassen abzuführen. Für verschreibungspflichtige Arzneimittel, die nicht der Festbetragsregelung unterlägen, seien 16 % Herstellerrabatt zu gewähren. Dieser erhöhe sich bei Fertigarzneimitteln für den Fall einer Preiserhöhung nach dem Einstandsdatum um diesen Betrag. In den vorliegenden Fällen sei nach der verordnungsbezogenen Rabattdatenlieferung durch das Rechenzentrum des Klägers der Herstellerrabatt nicht berücksichtigt bzw. falsch berechnet worden. Die entsprechenden Differenzbeträge seien dem Kläger im Rahmen der Retaxierung in Rechnung gestellt worden. Bei Berinert ® P handele es sich um ein verschreibungspflichtiges Fertigarzneimittel und es erfolge eine Berechnung nach der Arzneimittelpreisverordnung. Nach Auffassung der Spitzenverbände der Krankenkassen unterlägen diese Produkte einem Herstellerrabatt von 16 %.

Am 06.05.2005 (Bl. 140 Verwaltungsakte) setzte der zwischenzeitlich eingeschaltete Klägervertreter der Beklagten eine Frist bis 18.05.2005 zur Auszahlung der mittlerweile von der Beklagten eingezogenen Beträge, wobei er die von ihm vertretene Rechtsauffassung ausführlich darstellte.

Am 03.08.2005 (Bl. 1 Gerichtsakte) hat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten Klage zum Sozialgericht Frankfurt/Main erhoben.

Der Kläger trägt vor,

in entsprechender Anwendung von § 47 Abs. 1 Nr. 2 a Arzneimittelgesetz (AMG) gebe es für Berinert ® P keinen einheitlichen Herstellerabgabepreis, da dieses Präparat dank der pharmazeutischen Unternehmer nicht nur an Apotheker, sondern auch an Krankenhäuser und Ärzte dire...

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