Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsweg. Wahrnehmung von Aufgaben nach § 75 Abs 3, 4 und 6 SGB 5. Durchführung einer Methadon-Substitutionsbehandlung. fehlende Bewilligung. Notfall

 

Orientierungssatz

1. Soweit ein Sicherstellungsauftrag nach § 75 SGB 5 erfolgt ist, ist von der Eröffnung des sozialgerichtlichen Rechtsweges auszugehen (vgl BSG vom 17.11.1999 - B 6 KA 14/99 R = SozR 3-2500 § 75 Nr 11).

2. Nach den Substitutionsrichtlinien darf die Substitution nur durch einen substitutionsberechtigten Vertragsarzt, und nur dann durchgeführt werden, wenn die Substitution bei der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung beantragt wurde und ein zustimmendes Votum der Beratungskommission vorliegt.

3. Nur in Notfällen, die aus medizinischen Gründen den sofortigen Beginn der Substitutionsbehandlung notwendig machen, kann der substitutionsberechtigte Vertragsarzt die erforderlichen Maßnahmen auch dann durchführen, wenn die Bewilligung noch nicht erteilt worden ist; die Bewilligung ist in diesen Fällen am Tag der ersten Substitution im Wege eines Eilantrags bei der Kassenärztlichen Vereinigung unter Beifügung der entsprechenden Unterlagen zu beantragen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 06.11.2002; Aktenzeichen B 6 KA 39/01 R)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat der Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Berechtigung zur Durchführung einer Methadon-Substitutionsbehandlung bei der Patientin Anita P für die Zeit vom 12. bis 27.11.1999 und dem Patienten Karsten H für die Zeit vom 18.11. bis 07.12.1999.

Die Klägerin ist als Ärztin für Psychiatrie mit Praxissitz in F ... zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Sie beschäftigte seinerzeit als Entlastungsassistenten Herrn Dr. J, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, dem die Beklagte wie der Klägerin die Qualifikationsgenehmigung für Substitutionsbehandlungen erteilt hat.

Für die ... ....1968 geborene Patientin Anita P, die an chronischer Hepatitis B/C erkrankt war, stellte die Klägerin am 12.11.1999 einen Eilantrag zur Substitutionsbehandlung mit Methadon. Kostenträger für die Maßnahme sollte der örtliche Sozialhilfeträger, die Stadt F ... sein, da die Patientin P nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert war. Zur Begründung ihres Antrags wies die Klägerin darauf hin, dass die Patientin aufgrund der Vorgeschichte bei einer Nichtbehandlung ein schweres Entzugssyndrom entwickeln und bei weiterem Drogenkonsum sich in akute Lebensgefahr bringen könne.

In der Sitzung am 08.12.1999 beschloss die Substitutionskommission, den Antrag zurückzustellen und um Übersendung eines aktuellen Urinbefundes zu bitten. Wegen eines Haftantritts der Patientin war die Behandlung jedoch bereits am 27.11.1999 beendet worden. Die Klägerin teilte weiter mit, wegen eines vorherigen Behandlungsabbruchs könne die Eilbedürftigkeit nicht generell verneint werden. Unbeachtlich sei auch, ob der Patient selbst zu seiner Notlage beigetragen habe.

Mit Bescheid vom 03.02.2000 lehnte die Beklagte unter Hinweis auf die weitere Stellungnahme der Hessischen Substitutionskommission vom 22.12.1999 den Eilantrag ab, weil medizinische Gründe für einen Notfall nicht ersichtlich seien. Der Antrag wäre somit ab dem 22.12.1999 genehmigungsfähig, sei aber wegen des Haftantritts bereits zuvor beendet gewesen.

Hiergegen legte die Klägerin am 03.03.2000 Widerspruch ein, weil sie die Begründung für unzureichend hielt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31.07.2000, zugestellt am 15.08.2000, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Widerspruchsbegründung sowie die Unterlagen hätten der Hessischen Substitutionskommission erneut in ihrer Sitzung am 26.04.2000 zur Entscheidung vorgelegen. Nach eingehender Prüfung empfehle diese, den Widerspruch zurückzuweisen. Die Jugend- und Drogenberatung "Am M" habe die Patientin zum 05.11.1999 aus der Substitutionsbehandlung abgemeldet, weil sie die Behandlung abgebrochen habe. Die Substitutionsbehandlung sei jedoch erst am 12.11.1999 wieder begonnen worden, so dass hier auch nicht von einer direkten Übernahme aus einer vorbehandelnden Einrichtung gesprochen werden könne. Für die Substitutionsbehandlung im System der gesetzlichen Krankenversicherung sei grundsätzlich ihre Zustimmung erforderlich. Eine Genehmigung könne nur erteilt werden, wenn einerseits auf Seiten des Patienten eine medizinische Indikation im Sinne der Richtlinien vorlägen und andererseits durch den Arzt die qualitativen Anforderungen der Behandlung nachvollziehbar sichergestellt würden. Diese erforderten u. a. ein konkretes Behandlungs- und Therapiekonzept sowie begleitende therapeutische Betreuungsmaßnahmen. Diese Substitutionsbehandlung sei nicht die bloße Bekämpfung von Suchtfolgen, wie den Entzug oder ähnliches, sondern die Suchtmittelfreiheit. Eine Genehmigung könne damit in der Regel nur dann erteilt werden, wenn das Fernziel der Suchtmittelfreiheit zumindest erreic...

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