Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit- Dozententätigkeit an einem beruflichen Gymnasium auf Honorarbasis. freier Mitarbeiter-Vertrag - abhängige Beschäftigung - selbstständige Tätigkeit - Abgrenzung
Leitsatz (amtlich)
1. Es existiert kein Regel-Ausnahme-Verhältnis, das besagt, dass Lehrer an allgemeinbildenden Schulen in der Regel Arbeitnehmer sind, auch wenn sie ihren Beruf nebenberuflich ausüben und nur ausnahmsweise eine selbständige Tätigkeit vorliegt.
2. Auch bei Lehrern an allgemeinbildenden Schulen ist zur Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen.
3. Die Tätigkeit eines Lehrers an einem beruflichen Gymnasium ist eine selbständige Tätigkeit, wenn der Lehrer nach der Anzahl der geleisteten Unterrichtsstunden bezahlt wird, nicht verpflichtet ist, Vertretungsstunden zu übernehmen und auch nicht an Konferenzen und sonstigen schulischen Veranstaltungen teilnehmen muss und Einzelanordnungen zur Durchführung des Unterrichts nicht ergehen.
4. Aktenzeichen beim LSG Darmstadt: L 8 KR 200/19
Nachgehend
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 27.6.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2011 wird aufgehoben und es wird festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) aufgrund seiner Tätigkeit für den Kläger vom 13.9.2010 bis 28.2.2011 nicht abhängig beschäftigt war und nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
Die Beklagte trägt die Gerichtskosten sowie die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen zu 1) aufgrund seiner Tätigkeit als Dozent für den Kläger in dem Zeitraum vom 13. September 2010 bis 28. Februar 2011.
Der Kläger ist ein freier Träger der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins mit Sitz in A-Stadt. Dazu betreibt er bundesweit sogenannte „Verbünde“ und Einrichtungen in den Bereichen der schul-, ausbildungs-, und berufsbegleitenden, der beruflichen und politischen Bildung sowie in den Arbeitsfeldern sozialer Dienste, der Freizeithilfen und internationalen Begegnung, der Sprach- und Berufsförderung, der gesundheitlichen Fürsorge und der sozialen Beratung und Betreuung.
Der 1958 geborene Beigeladene zu 1) ist bei der Beigeladenen zu 3) gesetzlich krankenversichert und bei der Beigeladenen zu 4) pflegeversichert. In dem streitigen Zeitraum vom 13. September 2010 bis 28. Februar 2011 war er als Lehrkraft am beruflichen Gymnasium in C-Stadt tätig.
Grundlage der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) war ein befristeter Vertrag („Freier Mitarbeiter Vertrag“) vom 13. September 2010/18. Oktober 2010 mit folgendem Wortlaut:
„1. Die/der Auftragnehmer/in wird für den Auftraggeber mit Wirkung ab 13.09.2010 bis 28.02.2011 als freie/er Mitarbeiter/in tätig. Ein Anspruch auf Erteilung eines Folgeauftrags besteht nicht.
2. Die/der Auftragnehmer/in wird als Dozent/Dozentin im Fachbereich Schule mit folgenden Arbeiten beauftragt: Unterricht in berufl. Gymnasien auf der Grundlage des Lehrplans.
Maßnahme-Nr. 260651 Vorgesehener Einsatzort: C-Stadt
Änderungen der Aufgaben sowie des zeitlichen Umfangs und des Arbeitsortes erfolgen einvernehmlich und schriftlich. Die Vergütungsrichtlinie für sonstige Leistungen findet Anwendung.
3. Die beauftragte Leistung führt die Auftragnehmer/in in eigener Verantwortung aus, wobei sie/er auf die aus der Zusammenarbeit sich ergebenden betrieblichen Belange im Zusammenhang mit ihrer/seiner Tätigkeit Rücksicht nehmen wird. Die/der Auftragnehmer/in unterliegt keinem Weisungs- und Direktionsrecht seitens des Auftraggebers.
4. Die/der Auftragnehmer/in hat bei ihrer/seiner Tätigkeit und bei den Prüfungen die Korrektur- und Bewertungsrichtlinien zu beachten. Kopien dieser Richtlinien sind dem Vertrag als Vertragsbestandteil beigefügt.
5. Die/der Auftragnehmer/in ist in einem wöchentlichen Umfang von 16,00 Stunden für den Auftraggeber tätig. Dafür erhält sie/er ein Honorar von € 20,00 pro Stunde einschließlich etwaiger Umsatzsteuer nach Rechnungslegung mit Stundennachweis. Es werden nur tatsächlich erbrachte Zeiten vergütet. Ein Anspruch auf Vergütung von ausgefallenen Stunden oder Ausfallzeiten wegen Krankheit oder Urlaub besteht nicht. Im vereinbarten Honorar ist auch die Vergütung für etwaige Vor- und Nachbereitung, etwa anfallende An- und Abreisezeiten, etwaige Reisekosten sowie Aufwendungsersatz enthalten.
6. Die/der Auftragnehmer/in ist verpflichtet das Honorar als Einkommen bei dem für sie zuständigen Finanzamt zu versteuern.
7. Die/der Auftragnehmer/in wird als selbständige Kraft tätig. Die/der Auftragnehmer/in ist verpflichtet für einen Krankenversicherungsschutz Sorge zu tragen, sei es durch Weiterversicherung ...