Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einer Lehrkraft
Orientierungssatz
1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist die selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
2. Diese Grundsätze gelten auch für Lehrtätigkeiten.
3. Übt die Lehrkraft ihre Tätigkeit in eigener Verantwortung aufgrund einer Honorarvereinbarung mit stündlichem Entgelt aus, unterliegt sie dabei keinerlei Weisungsrecht, ist sie nicht verpflichtet, jeden Auftrag höchstpersönlich auszuführen, ist sie nicht in die Betriebsorganisation ihres Auftraggebers eingebunden und in dessen Betriebsablauf integriert, hat sie ein unternehmerisches Risiko nicht zu tragen, erhält sie keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, kein Urlaubsgeld und keine Vergütung bei Unterrichtsausfall, so ist von dem Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit auszugehen.
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 15. November 2010 in der Gestalt des Widerspruches vom 31. Mai 2011 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Beigeladene zu 1) aufgrund ihrer Tätigkeit für den Kläger vom 1. April 2010 bis 7. Juni 2011 nicht abhängig beschäftigt war und nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens und die außergerichtlichen Kosten des Klägers. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Verfahrens auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status nach § 7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) darüber, ob die Beigeladene zu 1) aufgrund ihrer Tätigkeit als Dozentin für den Kläger in dem Zeitraum vom 1. April 2010 bis 7. Juni 2011 versicherungspflichtig beschäftigt oder selbstständig tätig war.
Der Kläger ist ein freier Träger der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins mit Sitz in A-Stadt. Dazu betreibt er bundesweit sogenannte „Verbünde“ und Einrichtungen in den Bereichen der schul-, ausbildungs-, und berufsbegleitenden, der beruflichen und politischen Bildung sowie in den Arbeitsfeldern sozialer Dienste, der Freizeithilfen und internationalen Begegnung, der Sprach- und Berufsförderung, der gesundheitlichen Fürsorge und der sozialen Beratung und Betreuung.
Die 1957 geborene Beigeladene zu 1) ist staatlich geprüfte Musiklehrerin und hat im Jahre 2008 eine Zusatzqualifikation des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) für Integrationskurse und Alphabetisierung absolviert. Bis Ende Juni 2010 war sie als Musiklehrerin an einer privaten Realschule in E-Stadt mit einer Arbeitszeit montags und donnerstags von 09:00 Uhr bis 16:15 Uhr tätig gewesen. Sie ist bei der Beigeladenen zu 3) gesetzlich krankenversichert und bei der Beigeladenen zu 4) pflegeversichert.
In dem streitigen Zeitraum vom 1. April 2010 bis 7. Juni 2011 war die Beigeladene zu 1) als Dozentin im Fach Deutsch als Fremdsprache am Standort G-Stadt des Klägers tätig. Dieser bietet dort Unterricht in Integrationskursen im Auftrag des BAMF an. Grundlage der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) war ein „Freier Mitarbeiter Vertrag“ vom 18./23. März 2010 mit folgendem Wortlaut:
„1. Die Auftragnehmerin wird für den Auftraggeber mit Wirkung ab 01.04.10 bis 31.12.10 als freie Mitarbeiterin tätig. Ein Anspruch auf Erteilung eines Folgeauftrags besteht nicht.
2. Die Auftragnehmerin wird als Dozentin in G-Stadt mit folgenden Aufgaben tätig:
Frau D. erteilt Unterricht im Fach „Deutsch als Fremdsprache“ auf der Grundlage des Lehrplanes des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Anlage).
Änderungen der Aufgaben sowie des zeitlichen Umfangs und des Arbeitsortes erfolgen einvernehmlich und schriftlich.
3. Die beauftragte Leistung führt die Auftragnehmerin in eigener Verantwortung aus, wobei sie auf die aus der Zusammenarbeit sich ergebenden betrieblichen Belange im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit Rücksicht nehmen wird. Die Auftragnehmerin unterliegt keinem Weisungs- und Direktionsrecht seitens des Auftraggebers.
4. Die Auftragnehmerin hat bei ihrer Dozententätigkeit und bei den Prüfungen die Korrektur- und Bewertungsrichtlinien zu beachten. Kopien dieser Richtlinien sind dem Vertrag als Vertragsbestandteil beigefügt.
5. Die Auftragnehmerin ist in einem wöchentlichen Umfang von 8 Unterrichtsstunden (45 Min.) für den Auftraggeber tätig. Dafür erhält sie ein Honorar von € 18,00 pro Unterrichtsstunde einschließlich e...