Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegeversicherung. Leistungsexport bei Verlegung des Wohnsitzes in das Ausland
Leitsatz (amtlich)
Ein Anspruch auf freiwillige Weiterversicherung in der gesetzlichen Pflegekasse und auf Pflegegeld kann auch bei Personen, die ihren Wohnsitz dauerhaft in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union verlegen, bestehen.
Orientierungssatz
§ 34 Abs 1 Nr 1 SGB 11, wonach der Anspruch auf Leistungen bei Aufenthalt des Versicherten im Ausland ruht, verstößt gegen Art 19 Abs 1 EWGV 1408/71. Art 19 Abs 1 EWGV 1408/71 ist zu entnehmen, dass die Zahlung von Geldleistungen wie Pflegegeld selbst dann in dem Mitgliedstaat, in dem der Rentner wohnt, zu zahlen ist, wenn das Recht des Mitgliedstaats derartige Leistungen nicht vorsieht (vgl EuGH vom 8.3.2001 - C-215/99 = SozR 3-6050 Art 10a Nr 1).
Nachgehend
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 05.02.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.2004 wird aufgehoben, soweit er sich mit Leistungen und Rückforderung von Leistungen nach dem SGB XI sowie der Mitgliedschaft in der Pflegekasse der Beklagten befasst. Die Beklagte hat dem Kläger Pflegegeld im gesetzlichem Umfang ab dem 01.01.2003 weiterzubewilligen. Der Kläger ist seit dem 01.09.2002 freiwilliges weiterversichertes Mitglied der beklagten Pflegekasse.
Die Beklagte zahlt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem in sein Heimatland zurückgekehrten Kläger Pflegegeld weiter zu bewilligen ist und ob dieser freiwillig weiterversichertes Mitglied der Beklagten ist.
Der 1935 geborene Kläger -ein p Staatsbürger -ist Bezieher einer deutschen und einer p Altersrente. Seit 07.08.2001 hat er Leistungen der SPV (= Sozialen Pflegeversicherung) als Sachleistung erhalten. Im Hinblick auf einen zunächst vorübergehenden Aufenthalt in P hat ihm die Beklagte Pflegegeld gewährt.
Nachdem der Beklagten am 31.01. 2003 bekannt geworden war, dass der Kläger zum 31.07.2002 seine Wohnung in Deutschland abgemeldet hatte und er seinen Wohnsitz endgültig nach P verlegt hat, hat die Bank -BKK mit Bescheid vom 05.02.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.02.2004 das Ende der Mitgliedschaft festgestellt.
Die Beklagte hat mit Bescheid vom 12.02.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.02.2004 verfügt, dass die Mitgliedschaft des Klägers in der SPV zum 31.07.2002 geendet habe. Das für die Zeit vom 01.08.2002 bis 31.12.2002 in Höhe von 1.025 € gezahlte Pflegegeld hat sie gleichzeitig zurückgefordert. Der Kläger sei nach seiner Rückkehr nach P nicht mehr pflegeversichert. Ohne Versicherung aber könne er auch keine Leistungen bekommen.
Mit der am 11.02.2004 beim Sozialgericht Frankfurt eingegangenen Klage vertritt der Kläger die Auffassung, er wolle Mitglied in der gesetzlich möglichen Form bleiben, da auch er eine Mitgliedschaft als Voraussetzung für den Erhalt von Pflegeleistungen sehe. Das Pflegegeld sei ihm weiter zu gewähren. Hierbei stütze er sich auf die Rechtsprechung des EuGH.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 05.02.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.02.2004 aufzuheben und an ihn Pflegegeld im gesetzlichen Umfang ab dem 01.01.2003 weiter zu bewilligen sowie festzustellen, dass er über dem 31. Juli 2002 hinaus freiwillig versichert ist in der Pflegekasse der Beklagten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bezieht sich in ihrer Erwiderung im Wesentlichen auf das bereits im Vorverfahren Erwähnte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens wird auf die Gerichtsakten und die bei gezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Unter Aufhebung ihrer Bescheide hat die Beklagte den Kläger weiterzuversichern und ihm Pflegeleistungen zu gewähren.
Dies folgt aus § 26 Abs. 1 SGB XI. Nach dieser Vorschrift sind Personen, die aus der Versicherungspflicht nach § 20 oder 21 ausgeschieden sind und in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden mindestens 24 Monate oder unmittelbar vor dem Ausscheiden mindestens 12 Monate versichert waren, auf Antrag in der SPV weiterzuversichern…
Durch seinen Wohnsitzwechsel nach P ergibt sich für den Kläger, dass dieser nicht mehr in der SPV versicherungspflichtig ist. Das Gericht folgt hier der Entscheidung des Bundessozialgerichts, das in seinem Urteil vom 26.1.2005 B 12 P 4/02 R einen parallelen Fall entschieden hat. Nach dieser Entscheidung ist ein Rentner mit Wohnsitz in S, der sowohl eine Rente des deutschen als auch des S Rentenversicherungsträgers bezieht, nicht mehr in der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig.
Unstreitig sind hier die Vorversicherungszeiten erfüllt.
Der Antrag ist mit dem Widerspruchschreiben vom 19.02.2003 auch innerhalb der Dreimonatsfrist des § 26 Abs. 1 S. 3 SGB XI gestellt worden. Dass der Antrag nicht ausdrücklich als Antrag auf Weiterversicherung formul...