Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Rückerstattung zwischen Leistungsträgern gem § 112 SGB 10. (nicht) zu Unrecht erfolgte Erstattung. (kein) Ausschluss gem § 111 SGB 10. Erstattungsanspruch des Krankenversicherungsträgers gem § 105 Abs 1 und Abs 2 SGB 10. Beginn der Ausschlussfrist gem § 111 S 2 SGB 10. maßgeblicher Zeitpunkt: Kenntnis des erstattungsberichtigten Krankenversicherungsträgers von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Unfallversicherungsträgers. Entscheidung gegenüber dem erstattungsberechtigten Leistungsträger
Orientierungssatz
1. Zur Frage, wann die Frist des § 111 SGB 10 bei einer zeitabschnittsweisen Bewilligung mit Leistungsablehnung in Lauf gesetzt wird.
2. Nach dem Wortlaut der Regelung gem § 111 S 2 SGB 10 wird an eine Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers angeknüpft. (Dabei ist als "Entscheidung" nicht nur der Erlass eines Verwaltungsaktes gegenüber dem Versicherten anzusehen, sondern auch die schlicht-hoheitliche Erbringung der Leistungen bzw. deren Anweisung.) Unbeachtlich ist, dass die Entscheidung nicht gegenüber dem Leistungsberechtigten ergangen ist.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten in Höhe von 7.718,26 €.
Die geltend gemachte Erstattungsforderung betrifft den bei der Beklagten krankenversicherten A. A. (geb. 1965 - im Folgenden Versicherter). Dieser war am 26. November 2008 mit einem Schienensuizid als Zugchef konfrontiert.
Ab dem 9. Januar 2009 zahlte die Beklagte dem Versicherten aufgrund einer Generalbeauftragung Verletztengeld aus.
Mit Schreiben vom 12. Februar 2009 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten zur Wahrung der Ausschlussfrist des § 111 SGB X vorsorglich einen eventuellen Erstattungsanspruch geltend. Die Beklagte meldete keinen Erstattungsanspruch an. Eine gegenseitige Verzichtserklärung auf die Einrede der Verjährung wurde erklärt. Gegenüber dem Versicherten erkannte die Klägerin mit Bescheid vom 11. Februar 2010 eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bis 6. Januar 2009 an. Darüber hinaus wurde die Gewährung von Leistungen abgelehnt.
Die Beklagte wurde mit Schreiben vom 11. Februar 2010 aufgefordert, die Zahlung des Verletztengeldes ab sofort einzustellen. Daraufhin zahlte die Beklagte an den Versicherten ab 6. Januar 2010 Krankengeld.
Aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung (gegen den Bescheid vom 11. Februar 2010) wurde die Klägerin verurteilt, weitere Gesundheitsfolgen festzustellen. Mit Bescheid vom 9. Juni 2015 gewährte die Klägerin dem Versicherten eine Rente nach einer MdE von 30 v.H. Die Beklagte wurde gebeten (Schreiben vom 15. Juni 2015), zu prüfen, ob ein Anspruch auf Zahlung eines Differenzbetrages bestehe. Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 19. November 2015 mit, dass für den Zeitraum vom 6. Januar 2010 bis 27. Mai 2010 kein Differenzbetrag zu zahlen sei, da das Krankengeld in Höhe des Verletztengeldes gezahlt wurde.
Erstmals mit Schreiben vom 26. November 2015 machte die Beklagte gegenüber der Klägerin einen Erstattungsanspruch für das vom 6. Januar 2010 bis 27. Mai 2010 erbrachte Krankengeld i.H.v. 7.718,26 € sowie die daraus entrichteten Trägeranteile zur Rentenversicherung und zur Arbeitslosenversichehrung (1.448,40 € + 204,48 €) sowie zur Kranken- und Pflegeversicherung (1.796,30 € und 235,72 €) geltend.
Die Klägerin erstattete der Beklagten am 2. Dezember 2015 das Krankengeld in Höhe von 7.718,26 €. Die Erstattung der weiteren Beiträge wurde zunächst zurückgestellt, da seinerseits ein entsprechendes Berufungsverfahren anhängig war, dessen Ausgang abgewartet werden sollte.
Mit Schreiben vom 21. November 2017 teilte die Klägerin mit, dass eine Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge nicht in Betracht komme und dass die Erstattung des Krankengeldes für diesen Zeitraum (6. Januar 2010 bis 27. Mai 2010) in Höhe von 7.718,26 € zu Unrecht erfolgt sei. Daher verlangte die Klägerin die Leistungen nach § 112 SGB X zurück. Eine Anmeldung zur Erstattung sei seitens der Beklagten nicht erfolgt.
Die Beklagte äußert mit Schreiben vom 27. November 2017 ihr Unverständnis: Der Erstattungsanspruch sei im Schreiben vom 15. Juni 2015 hinreichend beziffert worden. Die Geltendmachung sei innerhalb der Jahresfrist erfolgt. Somit sei der § 111 SGB X nicht ausschlaggebend. Ob hier eine Bescheiderteilung an den Versicherten erfolgt sei oder nicht, sei für den Erstattungsanspruch nicht relevant. Es werde auch weiterhin auf die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge bestanden.
Zum 7. Februar 2018 lehnte die Beklagte die Rückerstattung endgültig ab.
Zum 5. Dezember 2018 hat die Klägerin Klage auf Zahlung von 7.718,26 € erhoben. Es werde ein Rückerstattungsanspruch nach § 112 SGB X geltend gemacht. § 111 Satz 2 SGB X komme nicht zur Anwendung, da eine Entscheidung über die Gewährung von Verletztengeld nicht getroffen worden sei. Der Erstattungsanspruch sei daher erlosch...