Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. getrennte Angemessenheitsprüfungen. Zweipersonenhaushalt in Brandenburg. Produkttheorie. keine Kürzung der Unterkunftskosten wegen unangemessenem Wasserverbrauch bei angemessener Bruttokaltmiete. Unangemessenheit der Heizkosten. Beheizung mit Fernwärme. Anforderung an Kostensenkungsaufforderung

 

Orientierungssatz

1. Die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft einerseits und der Kosten der Heizung andererseits sind getrennt voneinander zu prüfen (vgl BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 42).

2. Bei der Leistungsgewährung iS der Produkttheorie können einzelne Bestandteile der Unterkunftskosten grundsätzlich nicht gekürzt werden, wenn die Summe aus Grundmiete und kalten Betriebskosten insgesamt angemessen ist. Insofern können die verbrauchsabhängigen Kosten für Wasser/Abwasser bei einem unangemessenen Verbrauch anders als die Heizkosten grundsätzlich nicht isoliert abgesenkt werden, es sei denn der Verbrauch erfolgte in rechtsmissbräuchlicher Ausnutzung der Angemessenheitsgrenzen (Fortführung von SG Frankfurt (Oder) vom 30.5.2012 - S 28 AS 3255/10).

3. Die angemessene Bruttokaltmiete für einen Zweipersonenhaushalt in einer Stadt in Brandenburg im Jahr 2010 beträgt 406,25 Euro.

4. Für den Fall, dass der Hilfebedürftige seine Wohnung mit Fernwärme heizt und an dessen Wohnort nur ein Fernwärmenetz besteht, ist ein Hinweis des Grundsicherungsträgers, der anstatt eines angemessenen Eurobetrages darlegt, wie viele Wärmeeinheiten nach dessen Ansicht den maximal angemessenen Verbrauch darstellen und dass nach Ablauf einer angemessen Frist nicht mehr die vollen Heizkosten übernommen werden, als Kostensenkungsaufforderung iS des § 22 Abs 1 S 3 SGB 2 ausreichend.

 

Tenor

1. Der Beklagte wird unter Abänderung seines Bescheides vom 9. August 2010 und des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2010 verurteilt, der Klägerin zu 1.) weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Sinne des SGB II in Höhe von 5,63 Euro für den Monat September 2010, in Höhe von 5,46 Euro für den Monat Oktober 2010 und in Höhe von monatlich 1,19 Euro für die Monate November 2010 und Dezember 2010 zu gewähren.

2. Der Beklagte wird unter Abänderung seines Bescheides vom 9. August 2010 und des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2010 verurteilt, der Klägerin zu 2.) weitere Leistungen zur Sicherung der Kosten der Unterkunft und Heizung im Sinne des SGB II in Höhe von 4,74 Euro für den Monat September 2010, in Höhe von 4,91 Euro für den Monat Oktober 2010 und in Höhe von monatlich 9,18 Euro für die Monate November 2010 und Dezember 2010 zu gewähren.

3. Der Beklagte hat den Klägerinnen ein Viertel ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Pflicht des Beklagten zur Gewährung weiterer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in den Monaten September 2010 bis Dezember 2010 im Sinne des § 22 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Streitig ist insbesondere, ob der Beklagte berechtigt war, die bei der Leistungsberechnung zu berücksichtigenden Kaltwasserkosten und Heizkosten der Kläger auf das von ihm als angemessen angesehen Maß abzusenken und nur diesen Betrag in die Bedarfsberechnung einzustellen.

Die Klägerinnen stehen seit dem Monat August 2007 im Bezug von Leitungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bei dem Beklagten. Die am 25. Januar 2007 geborene Klägerin zu 2.) ist die Tochter der Klägerin zu 1.). Sie bewohnen zusammen eine 60 m² große Wohnung in B . Die Aufbereitung von Warmwasser erfolgt zentral. Die Wohnung wird mit Fernwärme beheizt. Ab dem 1. September 2010 hatten die Klägerinnen für ihre Wohnung folgende monatliche Vorauszahlungen zu leisten: Grundmiete 275,00 Euro, Heiz- und Warmwasserkosten 141,00 Euro, Wasserversorgung und Abwasserkosten 37,00 Euro, weitere Betriebskosten 33,00 Euro.

Bereits mit Schreiben vom 14. September 2009 hatte der Beklagte die Klägerinnen zur Senkung ihrer Betriebs- und Heizkosten durch ein geändertes Verbrauchsverhalten aufgefordert. Der Beklagte hatte dabei darauf verwiesen, dass der Verbrauch an Wasser und Abwasser zu hoch sei. Es würden 33,30 m³ pro Peron verbraucht. Angemessen seien 30,00 m³. Darüber hinaus seien die Heizkosten zu hoch. In der Wohnung der Klägerin seien je m² Wohnfläche 2798,00 Wärmeeinheiten verbraucht worden. Der Durchschnittsverbrauch des angemessenen Heizkostenverbrauchs je m² Wohnfläche betrage für die Wohnung der Kläger 1646,93 Wärmeeinheiten. Das Angemessenheitskriterium werde um 1151,07 Wärmeeinheiten überschritten.

Der Beklagte hatte in dem vorgenannten Schreiben darauf hingewiesen, dass die Aufwendungen für Heiz- und Nebenkosten ab dem 1. April 2010 nur noch in angemessener Höhe berücksichtigt werden würden.

Mit Bescheid vom 15. Juni 2010 bewilligte der Beklagte auf den Folgeantrag der Klägerinnen vom 8. Juni 2010 erneut Leistungen zur Sich...

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