Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. angemessene Unterkunftskosten. Produkttheorie. Abstellen auf die Bruttokaltmiete. Möglichkeit des Ausgleichs einer zu hohen Grundmiete durch günstige kalte Betriebskosten und umgekehrt. Verbot der Kürzung einzelner Bestandteile der kalten Betriebskosten bei Angemessenheit der Bruttokaltmiete trotz unangemessenen Verbrauchs
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Ermittlung der abstrakt angemessenen Kosten der Unterkunft iS des § 22 Abs 1 SBG 2 ist auf die abstrakt angemessene Bruttokaltmiete abzustellen. Eine leichte Überschreitung der für sich betrachteten Grundmiete kann durch günstige kalte Betriebskosten ausgeglichen werden und umgekehrt (Anschluss an BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R und SG Duisburg vom 6.4.2011 - S 41 AS 3047/10).
2. Bei der Leistungsgewährung iS der Produkttheorie können einzelne Bestandteile der Unterkunftskosten grundsätzlich nicht gekürzt werden, wenn die Summe aus Grundmiete und kalten Betriebskosten insgesamt angemessen ist. Insofern können die verbrauchsabhängigen Kosten für Wasser/Abwasser bei einem unangemessenen Verbrauch anders als die Heizkosten grundsätzlich nicht isoliert abgesenkt werden, es sei denn der Verbrauch erfolgte in rechtsmissbräuchlicher Ausnutzung der Angemessenheitsgrenzen (entgegen SG Freiburg vom 15.4.2011 - S 6 AS 3782/09).
Tenor
1. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 2. September 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 21. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2010 sowie des Änderungsbescheides vom 2. Februar 2011 verurteilt, der Klägerin für den Bewilligungszeitraum vom 1. Oktober 2010 bis 31. März 2011 monatlich weitere Grundsicherungsleistungen im Sinne des SGB II in Höhe von jeweils 13,62 Euro zu gewähren.
2. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 28. Februar 2011 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 5. Juli 2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26. Januar 2012 verurteilt, der Klägerin für den Bewilligungszeitraum 1. April 2011 bis 30. April 2011 monatlich weitere Grundsicherungsleistungen im Sinne des SGB II in Höhe von 13,62 Euro und für den Bewilligungszeitraum vom 1. Mai bis 30. September 2012 monatlich weitere Grundsicherungsleistungen im Sinne des SGB II in Höhe von jeweils 33,01 Euro zu gewähren.
3. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
4. Der Beklagte wird verpflichtet, die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts in den streitgegenständlichen Vorverfahren für notwendig zu erklären.
5. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung weiterer Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis zum 30. September 2011.
Die am xx. Dezember 2XXX geborene Klägerin steht seit April 2005 im Bezug von Grundsicherungsleistungen als Einzelbedarfsgemeinschaft bei dem Beklagten. Hierbei berücksichtigte der Beklagte von Anfang an nur eine Grundmiete von 200,00 Euro. Ein in den Jahren 2009/2010 hiergegen geführtes Widerspruchsverfahren der Klägerin blieb erfolglos.
Mit Betriebskostenabrechnung vom 19. Juli 2010 wurden die monatlichen Vorauszahlungen für die Wohnung der Klägerin in E. neu festgesetzt. Die Klägerin hatte ab dem 1. Oktober 2010 monatliche folgende Zahlungen zu erbringen: Grundmiete 228,87 Euro, Modernisierung 7,16 Euro, Wechselsprechanlage 2,59 Euro, Betriebskosten 112,02 bestehend aus einer Heizkostenvorauszahlung i.H.v. 49,99 Euro, Wasser / Abwasservorauszahlung i.H.v. 37,36 Euro und sonstigen Betriebskosten i.H.v. 24,67 Euro.
Mit Bescheid vom 2. September 2010 bewilligte die Beklagte der Klägerin für den Zeitraum 1. Oktober 2010 bis 31. März 2011 Regelsatzleistungen in Höhe von monatlich 359,00 Euro. Die Bewilligung erfolgte hierbei ohne Unterkunftskosten und mit dem Hinweis, dass nach Nachreichung der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2009 eine Neuberechnung stattfinden werde. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 7. September 2010 Widerspruch ein. Mit Änderungsbescheid vom 21. Oktober 2010 gewährte die Beklagte der Klägerin Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 671,02 Euro. Hierbei berücksichtigte sie neben dem monatlichen Regelsatz auch Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 312,02 Euro.
Mit einem gesonderten Schreiben vom 21. Oktober 2010 wies die Beklagte ferner darauf hin, dass nach ihrer Auffassung der jährliche Wasserverbrauch Klägerin mit 71,12 Kubikmeter deutlich zu hoch sei. Angemessen seien 30 Kubikmeter. Sie forderte die Klägerin auf, ihre Verbrauchskosten für Wasser / Abwasser zu senken. Sie kündigte an, ab dem 1. Mai 2011 nur noch 42,64 Euro an Betriebskosten zu übernehmen, da die restlichen Betriebskosten auf einen unangemessenen Verbrauch der Klägerin zurückzuführen seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5. November 2010 wurde der Widerspruch der Klägerin im Übrigen zurüc...