Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfall der fiktiven Terminsgebühr bei telefonischer Kontaktaufnahme des Rechtsanwalts mit dem Beklagten zur Besprechung eines Vergleichsvorschlags
Orientierungssatz
1. Die Terminsgebühr der Nr. 3106 VV RVG kann auch dann entstehen, wenn ein Gerichtstermin nicht stattgefunden hat und auch keiner der in Nr. 3106 VV RVG geregelten Fälle einer fiktiven Terminsgebühr vorliegt.
2. Der Rechtsanwalt verdient die fiktive Terminsgebühr auch dann, wenn er mit dem Beklagten telefonisch Kontakt aufnimmt, um einen schriftlich unterbreiteten Vergleichsvorschlag zu besprechen. Damit wirkt er nämlich an einer auf die Vermeidung oder die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts mit. Auch ein Telefonat kann eine Besprechung i. S. der Vorbemerkung 3 Abs. 3 zu Teil 3 VV RVG sein.
3. Die Durchführung des Telefonats ist nicht bereits durch die Einigungsgebühr gemäß Nr. 1006, 1000 VV RVG abgegolten. Der Rechtsanwalt erhält die fiktive Terminsgebühr als Lohn für besondere Aktivitäten mit dem Ziel der Vermeidung oder der Erledigung eines Rechtsstreits.
Tenor
Die Prozesskostenhilfevergütung wird unter Abänderung des Beschlusses vom 15.08.2011 auf 690,20 € festgesetzt.
Gründe
I.
Im Hauptsacheverfahren S 13 R 6695/09 begehrte der Kläger die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Mit Schriftsatz vom 13.05.2011 unterbreitete die Beklagte einen Vergleichsvorschlag, den der Kläger durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 27.06.2011 annahm. Zugleich wurde der Rechtsstreit für erledigt erklärt.
Mit Beschluss vom 07.04.2010 bewilligte das Gericht dem Kläger Prozesskostenhilfe und ordnete den Erinnerungsführer (EF) bei. Mit Kostennote vom 28.07.2011 rechnete der EF insgesamt 690,20 € ab, darunter eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in Höhe von 200,00 €. Diese Gebühr sei entstanden durch ein Telefonat vom 17.06.2010 zwischen ihm und der Beklagten über den abzuschließenden Vergleich. Mit Beschluss vom 15.08.2011 setzte die Kostenbeamtin insgesamt 452,20 € fest. Eine Terminsgebühr sei nicht entstanden. Es habe weder ein mündlicher Termin stattgefunden noch sei das Verfahren auf andere Weise als in den Anmerkungen zu Nr. 3106 VV RVG genannt beendet worden. Die Durchführung des Telefonats werde bereits durch die Einigungsgebühr Nr. 1006 VV RVG honoriert. Der EF legte am 19.08.2011 Erinnerung ein.
II.
Die gemäß § 178 Satz 1 SGG statthafte Erinnerung ist zulässig und begründet. Der EF hat Anspruch gegen die Staatskasse auf Erstattung einer Terminsgebühr in Höhe der Mittelgebühr von 200,00 €.
Die Terminsgebühr ist entstanden, obwohl ein Gerichtstermin nicht stattgefunden hat und auch keiner der in Nr. 3106 VV RVG geregelten Fälle einer fiktiven Terminsgebühr vorliegt. Der Anspruch auf die Terminsgebühr folgt aus Nr. 3106 VV RVG i.V.m. der Vorbemerkung 3 Absatz 3 VV RVG. Nach der dritten Alternative des Absatzes 3 entsteht die Terminsgebühr für “die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts; dies gilt nicht für Besprechungen mit dem Auftraggeber.„ Bei der Vorbemerkung 3 Absatz 3 VV RVG handelt es sich um die Legaldefinition der “Terminsgebühr„ im Sinn der Nr. 3106 VV RVG (vgl. Bayerisches Landessozialgericht - LSG -, Beschluss vom 21.02.2011, L 15 SF 168/10 B E, juris). Die weiteren, ausdrücklich in Nr. 3106 geregelten Fälle einer fiktiven Terminsgebühr (Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung, entweder im Einverständnis mit den Parteien oder durch Gerichtsbescheid, Beendigung des Rechtsstreits durch angenommenes Anerkenntnis) hat der Gesetzgeber folgerichtig mit der Formulierung “Die Gebühr entsteht auch, wenn ...„ eingeleitet.
Der EF hat die die (fiktive) Terminsgebühr verdient, indem er mit der Beklagten am 17.06.2011 telefonisch Kontakt aufgenommen hat, um den schriftlich unterbreiteten Vergleichsvorschlag zu besprechen. Der EF hat damit nach Auffassung der Kammer “an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts„ mitgewirkt. Denn auch Telefonate können “Besprechungen„ im Sinne der Vorbemerkung 3 Abs. 3 zu Teil 3 VV RVG sein (s.a. Bayerisches LSG, a.a.O.; SG Freiburg, Beschluss vom 30.01.2012, Az. S 7 SF 6441/11 E).
Nicht anzuschließen vermag sich die Kammer der Auffassung des Hessischen LSG (Beschluss vom 20.04.2011, Az. L 2 SF 311/09 E und Beschluss vom 09.11.2011, Az. L 2 SO 192/11 B), wonach eine telefonische Kontaktaufnahme nicht als ausreichend angesehen wird, um eine Besprechung im Sinne der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG anzunehmen, sondern vielmehr ein persönliches Gespräch unter Mitwirkung des prozessbevollmächtigten Rechtsanwaltes, die Umfang und Intensität eines Gerichtstermins erreicht, gefordert wird. Denn zum einen ist in von “Besprechungen„ die Rede, ohne dass auf die Art oder Umfang einer solchen Besprechung abgestellt wird. Des weiteren widerspricht die einschränkende Auslegung de...