Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Anfall einer fiktiven Terminsgebühr in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bei Erledigung durch angenommenes Anerkenntnis
Orientierungssatz
Die fiktive Terminsgebühr gem Nr 3106 S 2 Nr 3 RVG-VV entsteht auch in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, sofern das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet (so auch LSG Essen vom 14.7.2010 - L 1 AS 57/10 B = NZS 2011, 399 und vom 26.4.2007 - L 7 B 36/07 AS = AGS 2007, 508; LSG München vom 26.8.2009 - L 15 B 950/06 AS KO = AGS 2010, 378; LSG Erfurt vom 26.11.2008 - L 6 B 130/08 SF = AGS 2009, 579; entgegen SG Reutlingen vom 12.9.2007 - S 2 AS 3109/07 KE = AGS 2007, 614; LSG Schleswig vom 10.9.2009 - L 1 B 158/09 SK E = AGS 2010, 23; LSG Essen vom 20.10.2008 - L 20 B 67/08 AS = JurBüro 2009, 480).
Tenor
Die von der Antragsgegnerin an die Antragsteller zu erstattenden außergerichtlichen Kosten werden unter Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 17.2.2009 auf 357,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.1.2009 festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten über die Erstattung einer fiktiven Terminsgebühr gem. RVG-VV Nr. 3106 Sätze 1, 2 Nr. 3 nach einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.
Die Antragsteller beantragten am 10.11.2008 durch ihren Bevollmächtigten beim Sozialgericht Freiburg die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs. Mit Schriftsatz vom 12.11.2008 erklärte die Antragsgegnerin, sie habe dem Antrag entsprochen und erkläre sich zur Übernahme der notwendigen außergerichtlichen Kosten bereit. Unter dem 21.11.2009 teilte der Bevollmächtigte mit, das Anerkenntnis der Antragsgegnerin werde angenommen, der Rechtsstreit sei erledigt. Auf den mit 357 € unter Ansatz einer fiktiven Terminsgebühr gem. RVG-VV Nr. 3106 Satz 2 Nr. 3 bezifferten Kostenfestsetzungsantrag der Antragsteller vom 15.1.2009 wurden die außergerichtlichen Kosten mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17.2.2009 in Höhe von 202,30 € festgesetzt und dies damit begründet, dass nach der Rechtsprechung der 10. Kammer des SG Freiburg eine fiktive Terminsgebühr in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht anfallen könne. Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 5.3.2009 eingegangene Erinnerung.
II. Die Erinnerung ist statthaft, auch im Übrigen zulässig (§ 197 Abs. 2 SGG) und begründet.
Entgegen der im Kostenfestsetzungsbeschluss zitierten Rechtsprechung u. a. der 10. Kammer des Sozialgerichts Freiburg sowie einiger anderer Gerichte (z. B. SG Reutlingen, Beschl. v. 12.9.2007, Az. S 2 AS 3109/07 KE; Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschl. v. 10.9.2009, Az. L 1 B 158/09 SK E; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 20.10.2008., Az. L 20 B 67/08, alle veröff. in (juris)) entsteht die fiktive Terminsgebühr gem. RVG-VV Nr. 3106 Satz 2 Nr. 3 auch in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, sofern das Verfahren (wie unstreitig und offenkundig hier) nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet (ebenso bereits LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 14.7.2010, Az. L 1 AS 57/10 B u. v. 26.4.2007, Az. L 7 B 36/09 AS; Bayerisches LSG, Beschl. v. 26.8.2009, Az.: L 15 B 950/06 AS KO; Thüringer LSG, Beschl. v. 26.11.2008, Az.: L 6 B 130/08 SF; alle in (juris); ferner Keller, in: jurisPR-SozR 22/2007 Anm. 6 (Anmerkung zu SG Reutlingen a. a. O.).
Bereits der Wortlaut der Vorschrift ist hinsichtlich der Anwendbarkeit im einstweiligen Rechtsschutzverfahren keineswegs neutral wie von der Gegenansicht behauptet, sondern spricht für deren Anwendbarkeit auch für Eilverfahren. RVG-VV Nr. 3106 Satz 2 Nr. 3 spricht allgemein von “Verfahren„, ohne dies etwa durch Formulierungen wie “Hauptsacheverfahren„ oder “Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist„ (wie in Nr. 1 a. a. O.) einzuschränken. Dass es sich bei Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich um “Verfahren„ i. S. von RVG-VV Nr. 3106 Satz 2 Nr. 3 handelt, folgt daraus, dass Nr. 3106 Satz 1, den alle Fallgruppen von Satz 2 logisch voraussetzen, Nr. 3106 für alle Verfahren vor den Sozialgerichten für anwendbar erklärt, in denen Betragsrahmengebühren entstehen und dass nach Vorbemerkung 3.1 Abs. 1 zu Teil 3, Abschnitt 1 des VV-RVG der Abschnitt für alle Verfahren, gilt, “für die in den folgenden Abschnitten dieses Teils keine Gebühren bestimmt sind„. Beide Voraussetzungen treffen für Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu. Auch aus Bezeichnung der Gebühr als “Terminsgebühr„ folgt entgegen der Annahme der 10. Kammer (z. B. Beschl. v. 10.1.2008, Az.: S 10 SO 4479/07) nicht, dass diese ihrer Art nach nur anfallen könnte, wenn für das Verfahren grundsätzlich eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist. Denn zweifellos fällt eine Terminsgebühr auch in Verfahrensarten mit fakultativer mündlicher Verhandlung an, wenn tatsächlich ein Termin stattfindet. Die Auslegung des Begriffs Terminsgebühr in Nr. 3106 kann aber nicht d...