Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Kostenfestsetzungsverfahren. keine "fiktive" Terminsgebühr in Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz

 

Leitsatz (amtlich)

In Verfahren auf einstweiligen Rechtschutz nach § 86b Abs 1 und Abs 2 SGG kann eine Gebühr nach RVG-VV Nr 3106 in Gestalt der "fiktiven" Terminsgebühr nicht anfallen, wenn ein Termin tatsächlich nicht stattgefunden hat, weil für die Beschlussentscheidung nach § 86b SGG die Durchführung eines Termins zur mündlichen Verhandlung nicht vorgesehen ist (vgl BGH vom 1.2.2007 -V ZB 110/06 = NJW 2007, 1461).

 

Tenor

Auf die Erinnerung des Antragstellers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Sozialgerichts vom 5. Mai 2008 werden die von dem Antragsgegner der Antragstellerin zu erstattenden Kosten auf 172,55 EUR festgesetzt.

Kosten des Erinnerungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Auf die zulässige Erinnerung waren die zu erstattenden Kosten auf den Betrag von 172,55 EUR lt. nachstehender Berechnung festzusetzen:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG

  125,00 EUR

Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VV RVG

 20,00 EUR

Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG

 27,55 EUR

Summe

172,55 EUR

Die zulässige Erinnerung ist begründet. Nachdem der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 26. August 2008 den Ansatz für die beantragte Verfahrensgebühr auf 125,00 EUR beschränkt hat, deckt sich dieser Ansatz nunmehr mit dem vom Antragsteller für maximal angemessen erachteten (in Höhe der halben Mittelgebühr) und kann insoweit unstreitig zugrunde gelegt werden.

Zur Frage der nun noch ausschließlich offenen (“fiktiven„) Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG vertritt die erkennende Kammer folgende Auffassung:

In Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz nach § 86b Abs. 1 und Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann eine Gebühr nach Nr. 3106 VV RVG in Gestalt der “fiktiven„ Terminsgebühr, wenn ein Termin tatsächlich nicht stattgefunden hat, nicht anfallen, da für die Beschlussentscheidung nach § 86b SGG die Durchführung eines Termins zur mündlichen Verhandlung nicht vorgesehen ist (vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 01.02.2007 zum Verfahren V ZB 110/06). Diese Auffassung teilt auch die 164. Kammer des Sozialgerichts Berlin, die nunmehr neben der 165. Kammer des Sozialgerichts Berlin für die Entscheidungen nach § 197 Satz 2 SGG eine Alleinzuständigkeit hat, vgl. Beschluss vom 21. Januar 2009 - S 164 SF 14/09 E -. Soweit der Vorsitzende der 164. Kammer als Vorsitzender der 87. Kammer des Sozialgerichts Berlin in der Entscheidung vom 15.04.2008 zum Verfahren S 87 AS 6754/06 ER unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.04.2007 zum Aktenzeichen L 7 B 36/07 AS die Auffassung vertreten hatte, dass auch im Verfahren nach § 86b SGG eine fiktive Terminsgebühr anfallen kann, so hat er diese Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben (Beschluss S 87 AS 3339/08 ER). Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 05.12.2007 zum Verfahren 4 KSt 1007.07 (4 A 1070.06) nachvollziehbar dargelegt, dass grundsätzlich in Beschlussverfahren, in denen eine mündliche Verhandlung oder eine Erörterung tatsächlich nicht stattfindet, eine Terminsgebühr nicht anfallen kann.

Es trifft zu, dass die Entstehung der Terminsgebühr weder eine über die Annahme des Anerkenntnisses hinausgehende Mitwirkung im Sinne einer vorhergehenden Kommunikation voraussetzt noch die von Gesetzes wegen obligatorische Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Grundvoraussetzung für die Entstehung dieser Gebühr ist jedoch nach § 2 Abs. 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 des Vergütungsverzeichnisses (VV-RVG) i.V.m. Abschnitt 1 Nr. 3106 Ziffer 3 VV-RVG, dass für das entsprechende Rechtsschutzverfahren überhaupt eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist oder, wie etwa im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, ausnahmsweise durchgeführt werden soll. Denn die Terminsgebühr wird gerade deshalb gewährt, um (regelmäßig vorgeschriebene) mündliche Verhandlungen im Sinne der Prozessökonomie entbehrlich zu machen, ohne dass hierdurch der Vergütungsanspruch des Prozessbevollmächtigten beeinträchtigt wird (vgl. auch KG Berlin, Beschluss vom 21. Februar 2007, Az. 5 W 24/06, zitiert nach Juris). Da für einstweilige Rechtsschutzverfahren gemäß § 124 Abs. 3 i.V.m. § 86b Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Durchführung einer mündlichen Verhandlung von der Verfahrensordnung nicht obligatorisch vorgesehen ist und vorliegend eine mündliche Verhandlung bzw. die Erörterung der Sache durch das Gericht weder angeordnet noch hierzu geladen wurde, ist auch keine Terminsgebühr entstanden (so auch Sächsisches LSG, Beschluss vom 7. Februar 2008, L 23 B 33/08 AS-KO; SG Halle, Beschluss vom 6. Juni 2008, S 11 SF 76/07 AS; SG Reutlingen, Beschluss vom 12. September 2007, Az. S 2 AS 3109/07 KE; SG Lüneburg, Beschluss vom 10. Mai 2007, Az. 25 SF 23/07, jeweils zitiert nach Juris).

Zwar...

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