Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankengeld. Ermittlung des Nettoarbeitsentgelts bei Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland und Wohnsitz in Frankreich
Leitsatz (amtlich)
Das Nettoarbeitsentgelt gemäß § 47 Abs 1 SGB 5 ist bei einem in Deutschland arbeitenden, aber in Frankreich wohnhaften Arbeitnehmer unter Abzug des fiktiven französischen Lohnsteuersatzes zu ermitteln; das von deutschen Krankenkassen an einen solchen Arbeitnehmer gezahlte Krankengeld unterliegt nicht der tatsächlichen Lohnbesteuerung in Frankreich
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 11.10.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.01.2012 verurteilt, eine Neuberechnung des Krankengelds des Klägers für die Zeit vom 19.04.2011 - 15.12.2011 unter Abzug des fiktiven französischen Lohnsteuersatzes vorzunehmen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die fiktive Berechnung von Lohnsteuer auf das dem Kläger gewährte Krankengeld.
Der 1949 geborene Kläger, der bei der Beklagten krankenversichert ist, ist französischer Staatsbürger. Er arbeitet in Deutschland bei der Firma … und hat seinen Wohnsitz in Frankreich.
Aufgrund von Arbeitsunfähigkeit erhielt er von der Beklagten im Zeitraum vom 19.04.2011 - 15.12.2011 Krankengeld.
Mit Schreiben vom 02.10.2011 beantragte der Kläger, sein Krankengeld solle vom reellen Nettolohn ohne einen fiktiven Steuerabzug berechnet werden.
Die Beklagte wies dieses Begehren mit Bescheid vom 11.10.2011 zurück. Zur Begründung führte sie u. a. an, aufgrund der Vorschrift des § 47 Absatz 5 SGB IX würden bei Leistungsempfängern, die im Inland nicht steuerpflichtig seien, für die Feststellung des entgangenen Nettoarbeitsentgelts die Steuern berücksichtigt, die bei einer Steuerpflicht im Inland durch Abzug vom Arbeitsentgelt erhoben würden. Dies sei auch die Meinung der Spitzenverbände der Krankenkassen bzw. der Unfallversicherungsträger.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 04.11.2011 Widerspruch, den er damit begründete, seit dem 01.05.2010 sei die Verordnung EG 988/2009 in Kraft, die in ihrem Anhang XI Deutschland Nr. 3 ausdrücklich regele, dass zur Berechnung des Regelentgelts gemäß § 47 SGB V das tatsächliche Nettoarbeitsentgelt und nicht ein fiktiver Nettolohn wie in § 47 SGB IX zugrunde zu legen sei, wenn der Versicherte dies verlange.
Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.01.2012, dem Kläger zugestellt am 19.01.2012, zurück. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, ausgehend von den Regelungen der EWG Verordnung (EWG-VO)1408/71 sei es seit vielen Jahren gängige - und auch bisher unbestrittene - Praxis und herrschende Meinung, dass das Krankengeld von dem zuständigen Sozialversicherungsträger so berechnet werde, als ob der Grenzgänger in Deutschland wohne. Im Jahre 1983 habe das Bundessozialgericht entschieden, dass bei einem in Deutschland beschäftigten ausländischen Staatsangehörigen, der aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens keine Lohnsteuer nach deutschem Recht zu zahlen habe, bei Ermittlung des Nettoarbeitsentgeltes die an dem ausländischen Wohnort zu entrichtende Steuer aus dem Arbeitsentgelt anzusetzen sei. Diese Entscheidung sei durch die Aufnahme in die EWG VO 1408/71 im Anhang VI Abschnitt C Deutschland im Oktober 1983 umgesetzt worden. Auch die Anlage XI der EG VO 883/2004 bestätige grundsätzlich die einheitliche Anwendung der Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedsstaates. Hierbei sollten die Regelungen in nationales Recht übernommen werden; geltendes deutsches Recht sei die Regelung in § 47 SGB IX. Mit der Regelung in der Anlage XI der EG VO 883/2004 habe sich auch die sogenannte Task Force Grenzgänger befasst. Hierbei handele es sich um ein Projekt mit den Partnern Ministerium für Arbeit, Familie, Prävention, Soziales und Sport des Saarlandes, der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens sowie Luxemburg, Rheinland-Pfalz, Wallonie und Lothringen. Diese habe in einem Gutachten festgehalten, dass eine Krankengeldneuberechnung wie vorliegend beantragt nicht mit Gemeinschaftsrecht konform sei.
Am 02.02.2012 hat der Kläger Klage erhoben.
Unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens trägt er weiter vor, in dem Gutachten der Task Force Grenzgänger sei ausdrücklich ausgeführt, dass auf Antrag die Leistungen auf der Grundlage des tatsächlichen Nettoarbeitsentgelts ermittelt werden müssten, wobei kein fiktiver Steuersatz zugrunde gelegt werden dürfe.
Der Kläger ist der Ansicht, auch eine fiktive französische Lohnsteuer dürfe der Berechnung nicht zugrunde gelegt werden, da dies bereits unpraktikabel sei und einen erheblichen bürokratischen Aufwand erfordere. Darüber hinaus behauptet der Kläger, es käme dann zu einem Doppelabzug, da er den unter Einbeziehung einer fiktiven französischen Lohnsteuer errechneten Betrag ebenso wie normales Arbeitseinkommen nochmals versteuern müsse.
Der Klä...