Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. fiktive Terminsgebühr: Bestimmung der Bezugsgröße bei mehreren nacheinander beigeordneten Rechtsanwälten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bezugsgröße der Berechnung der "fiktiven" Terminsgebühr gemäß Satz 2 der Anm zu Nr 3106 VV RVG ist die konkrete Verfahrensgebühr, die genau dem Rechtsanwalt zusteht, der die "fiktive" Terminsgebühr für sich in Anspruch nimmt.

2. Dies gilt auch dann, wenn der Rechtsanwalt infolge der Aufhebung der Beiordnung eines früheren Bevollmächtigten erst in einem späten Zeitpunkt in das Verfahren eintritt und daher die ihm am Maßstab des § 14 RVG zustehende Verfahrensgebühr von vornherein nicht den Umfang des gesamten Verfahrens abbildet.

 

Tenor

1. Die Erinnerung gegen die Vergütungsfestsetzung vom 19. März 2015 im Verfahren S 1 R 211/13 wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe einer dem Erinnerungsführer zu zahlenden fiktiven Terminsgebühr.

Im dem vorliegenden Erinnerungsverfahren zu Grunde liegenden rentenrechtlichen Klagverfahren S 1 R 211/13 (im Folgenden: Ausgangsverfahren) wurde der dortige Kläger zunächst durch Rechtsanwalt B. vertreten, der dem Kläger durch Beschluss der Kammervorsitzenden vom 27. Januar 2014 der gleichzeitiger Gewährung von Prozesskostenhilfe als Bevollmächtigter beigeordnet worden war. Aufgrund einer Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Kläger und Rechtsanwalt B. wurde dessen Beiordnung mit Beschluss der Kammervorsitzenden vom 10. März 2014 aufgehoben und mit weiterem Beschluss vom selben Tage der Erinnerungsführer als neuer Bevollmächtigter mit Wirkung ab dem 4. März 2014 beigeordnet.

Nachdem das Verfahren durch Urteil vom 24. Februar 2015 unter Verzicht der Beteiligten auf mündliche Verhandlung beendet worden war, machte der Erinnerungsführer seine Vergütung wie folgt geltend:

Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG

300,00 EUR

Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG

280,00 EUR

Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

Zwischensumme

600,00 EUR

19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

114,00 EUR

714,00 EUR.

Demgegenüber setzte der Kostenbeamte die Vergütung lediglich wie folgt fest:

Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG

200,00 EUR

Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG

180,00 EUR

Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

Zwischensumme

400,00 EUR

19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

76,00 EUR

476,00 EUR.

Zur Begründung führte er aus, dass angesichts des beschränkten Beiordnungszeitraums eine mittlere Verfahrensgebühr als unbillig anzusehen sei. Vielmehr sei eine unterhalb der Mittelgebühr anzusiedelnde Verfahrensgebühr von 200,00 EUR ausreichend und angemessen. Daraus ergebe sich sodann die fiktive Terminsgebühr in Höhe von 90 % dieser festzusetzenden Gebühr.

Hiergegen wendet sich der Erinnerungsführer mit seiner Erinnerung vom 24. März 2015, bei Gericht eingegangen am 26. März 2015, die er wie folgt begründet:

Mit der Verfahrensgebührt von 200,00 EUR bestehe zwar Einverständnis. Allerdings sei bei der Bestimmung der Bezugsgröße zur Errechnung der fiktiven Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG auf die im "Normalfall" anzusetzende Verfahrensgebühr abzustellen, hier also der Mittelgebühr von 300,00 EUR. Käme man nämlich zu dem Ergebnis, dass im Falle der Beiordnung eines zweiten Anwalts da keine Verfahrensgebühr mehr entstehen, entfiele auch die Terminsgebühr in vollem Umfang. Dies könne bei Einführung von Nr. 3106 S. 2 VV RVG nicht gewollt gewesen sein. Vielmehr sei dann ein Anwalt gezwungen, eine mündliche Verhandlung anzustreben, um eine reguläre Terminsgebühr zu verdienen.

Der Erinnerungsführer beantragt,

die Terminsgebühr unter Beachtung des Satzes 2 der Bestimmungen zu VV 3106 RVG auf 270,00 EUR festzusetzen.

Der Erinnerungsgegner beantragt,

die Erinnerung zurückzuweisen.

Zur Begründung führt er aus, dass der Erinnerungsführer mit der festgesetzten Verfahrensgebühr von 200,00 EUR einverstanden gewesen sei. Die pauschale Gebührenbestimmung der Terminsgebühr in Bezug auf die Verfahrensgebühr sei zwingend, so dass hiervon nicht abgewichen werden könne.

II.

Die zulässige Erinnerung ist nicht begründet. Die Festsetzung der hier allein streitigen fiktiven Terminsgebühr ist zutreffend erfolgt.

1. Streitentscheidend ist hier, in Bezug auf welchen Betrag die nach Satz 2 der Anmerkung zu Nr. 3106 VV RVG zu bestimmende fiktive Terminsgebühr berechnet werden muss. Dieser lautet (auch) für den Fall einer fiktiven Terminsgebühr wegen des Verzichts auf mündliche Verhandlung:

"In den Fällen des Satzes 1 beträgt die Gebühr 90% der in derselben Angelegenheit dem Rechtsanwalt zustehenden Verfahrensgebühr ohne Berücksichtigung einer Erhöhung nach Nummer 1008."

a) Die Auffassung des Erinnerungsführers geht dahin, dass in einem Fall wie hier, in dem ein Rechtsanwalt nach Entbindung eines anderen als zweiter beigeordnet wird, sich zwangsläufig eine niedrigere Gebühr ergebe, die pauschale Berechnung gemäß des vorzitierten Normtextes...

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