Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Verfahrensgebühr. Beachtung der Toleranzgrenze auch bei Erreichen der Höchstgebühr. Erledigungsgebühr. Gebührenentstehung nach Teilanerkenntnis. Einwirken auf den Mandanten, den Rechtsstreit im Übrigen für erledigt zu erklären. Gebührenhöhe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die 20 %-Toleranzgrenze zugunsten des Rechtsanwalts bei der Bestimmung der Rahmengebühren gem § 3 RVG ist auch dann zu beachten, wenn damit die Höchstgebühr erreicht wird.

2. Die Einwirkung des Rechtsanwalts auf seinen Mandanten, nach einem Teilanerkenntnis den Rechtsstreit im Übrigen für erledigt zu erklären, genügt jedenfalls dann für das Entstehen einer Erledigungsgebühr (Nr 1006, 1005, 1002 VV RVG, juris: RVG-VV), wenn der für erledigt erklärte Anteil des ursprünglichen Streitgegenstands nicht von völlig untergeordneter Bedeutung ist. In diesem Fall ist die Höhe der Erledigungsgebühr als Teilbetrag der Verfahrensgebühr im Hinblick auf den für erledigt erklärten Teil des Streitgegenstandes anhand der Kriterien des § 14 Abs 1 RVG zu bestimmen.

 

Tenor

Die Vergütungsfestsetzung der Urkundsbeamtin vom 18. Juni 2020 wird dahingehend abgeändert, dass der von dem Erinnerungsführer an die Staatskasse zu erstattende Betrag auf

426,35 EUR

festgesetzt wird.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Erinnerungsführer als beigeordnetem Rechtsanwalt des Klägers des Ausgangsverfahrens S 13 R 254/16 zustehenden PKH-Vergütung.

Nach einer Verfahrensdauer von mehr als drei Jahren und einem Beiordnungszeitraum von gut zwei Jahren wurde das Ausgangsverfahren nach einem Teilanerkenntnis der dortigen Beklagte durch übereinstimmende Erledigungserklärung beendet. Der Kläger des Ausgangsverfahrens hatte am 27. Juni 2016 Rente wegen voller Erwerbsminderung beantragt; letztlich erkannte die Beklagte des Ausgangsverfahrens das Vorliegen einer solchen Erwerbsminderung am September 2017 an und gewährte eine befristet EM-Rente ab dem 1. April 2018 bis 31.12.2022 - verbunden mit einem Kostengrundanerkenntnis in Höhe von 4/5 der notwendigen außergerichtlichen Kosten.

Nach Abschluss des Verfahrens machte der Erinnerungsführer seine Vergütung gegenüber der Staatskasse wie folgt geltend:

Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG

550,00 EUR

Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG

510,00 EUR

Erledigungsgebühr, Nr. 1006 VV RVG

550,00 EUR

Dokumentenpauschale, Nr. 7000 VV RVG

31,00 EUR

Fahrtkosten, Nr. 7003 VV RVG

42,60 EUR

Tage- und Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 VV RVG

25,00 EUR

Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

Zwischensumme

1.728,60 EUR

hiervon 1/5

345,72 EUR

19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

65,69 EUR

411,41 EUR

abzgl. erhalten Vorschüsse

-737,80 EUR

zu erstattender Betrag

326,39 EUR

Die Urkundsbeamtin setzte unter dem 18. Juni 2020 den vom Erinnerungsführer zu erstattenden Betrag demgegenüber wie folgt fest:

Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG

490,00 EUR

Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG

280,00 EUR

Dokumentenpauschale, Nr. 7000 VV RVG

20,00 EUR

Fahrtkosten, Nr. 7003 VV RVG

42,60 EUR

Tage- und Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 VV RVG

25,00 EUR

Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

Zwischensumme

877,60 EUR

hiervon 1/5

175,52 EUR

19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

33,35 EUR

208,87 EUR

abzgl. erhalten Vorschüsse

-717,00 EUR

zu erstattender Betrag

505,13 EUR

Zur Begründung der Absetzungen führte sie im Wesentlichen aus, dass unter Berücksichtigung der Kriterien des § 14 RVG nur eine Verfahrensgebühr von 490 EUR angemessen sei. Angesichts der Terminsdauer von 30 Minuten sei die hierfür vorgesehen Mittelgebühr angemessen. Die Einigungsgebühr sei gar nicht entstanden, da sich die Einigung der Beteiligten des Ausgangsverfahrens lediglich auf ein Anerkenntnis bezogen habe. Die angefertigten Kopien seien nicht allesamt erforderlich gewesen, so dass insoweit nur eine teilweise Gebührenzahlung in Betracht komme.

Hiergegen hat der Erinnerungsführer mit Schriftsatz vom 30. Juni 2020 Erinnerung eingelegt und hält an der Höchstgebühr von 550 EUR als Verfahrensgebühr fest. Dies gelte auch für die Terminsgebühr, allerdings akzeptiere er insoweit eine Beschränkung auf 420 EUR.

Die Erledigungsgebühr, nicht eine Einigungsgebühr - wie die Urkundsbeamtin meine - sei geltend gemacht worden und auch entstanden, wie er sie auch im Vergütungsfestsetzungsantrag ausführlich begründet habe. Er habe nach dem schriftlichen Teilanerkenntnis der Beklagten des Ausgangsverfahrens auf seinen Mandanten eingewirkt, das Verfahren im Übrigen für erledigt zu erklären; hierzu habe ein persönliches Gespräch mit ihm am 20. Februar 2020 stattgefunden. Dabei seien die weiteren Erfolgsaussichten dargelegt worden, was den Kläger des Ausgangsverfahrens zur Erledigungserklärung im Übrigen veranlasst habe.

Der Erinnerungsgegner hat dazu mit Datum vom 30. Juli 2020 Stellung genommen und Festsetzung der Verfahrensgebühr durch die Urkundsbeamtin verteidigt, im Übrigen aber der vom Erinnerungsführer nunmehr akzeptierten...

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