Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Kostentragungspflicht bei Anerkenntnis
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Anerkenntnis erst nach durchgeführter Beweisaufnahme erfolgt nicht "sofort" iS von § 156 VwGO.
2. Der Beklagte ist der "unterliegende Teil" iS von § 154 Abs 1 VwGO, wenn er den klageweise geltend gemachten Anspruch vollumfänglich anerkennt; er trägt daher zwingend die Kosten des Verfahrens. Hiervon kann nur unter den Voraussetzungen gem § 156 VwGO abgewichen werden.
3. Im Falle einer förmlichen Anerkenntniserklärung im Prozess ist daher auch eine Kostenentscheidung gem § 161 Abs 2 VwGO nicht zulässig.
Tenor
1. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
2. Der Streitwert wird auf 389,41 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
1. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, da sie infolge ihres Anerkenntnisses unterlegen ist. Wer eine Klageforderung anerkennt, unterliegt in der Sache, wodurch ihn gem. § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 202 SGG die Kostenlast trifft, ohne dass dem Gericht eine Entscheidungsalternative offenstünde.
Hiervon ist lediglich gem. § 156 VwGO eine Ausnahme zu machen, wenn die Beklagte keinen Grund zur Klageerhebung gegeben hat und die Erklärung des Anerkenntnisses "sofort" erfolgt. Letzteres scheidet hier aus, da ein Anerkenntnis erst nach Beweisaufnahme in keiner Weise als "sofort" gewertet werden kann.
2. Soweit die Beklagte meint, es sei im Falle des Anerkenntnisses eine Entscheidung des Gerichts gem. § 161 Abs. 2 VwGO eröffnet, so kann dem nicht gefolgt werden. Diese Auffassung missachtet bereits den Charakter von § 156 VwGO als lex specialis für den Fall der Kostentragungspflicht einer Klägerin im Falle des Anerkenntnisses. Nur unter den dort genannten Bedingungen hat der Gesetzgeber eine Kostentragungspflicht einer Klägerin trotz Anerkenntnis seitens einer Beklagten ermöglicht. Hierüber würde sich das Gericht hinwegsetzen, wenn es diese Rechtsfolge auch in anderen Konstellationen herbeiführen wollte.
Im Übrigen stellt das Anerkenntnis ein prozessuales Institut dar, das ein aliud zur Erledigung im Rechtssinne und erst recht zur übereinstimmenden Erledigungserklärung bildet. Insofern ist bereits der Ausgangspunkt falsch, dass eine Entscheidung im Falle des Anerkenntnisses nach § 161 Abs. 2 VwGO ergehe (daher zumindest ungenau Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 101 Rn. 23a).
Folgerichtig differenziert der Gesetzgeber auch nach bestimmten Gründen für die Beendigung des Verfahrens: § 154 VwGO für den Fall des Unterliegens, für die Rücknahme § 155 Abs. 2 VwGO, für das sofortige Anerkenntnis in § 156 VwGO, für die Erledigung gem. § 162 Abs. 2 VwGO.
Zuzugeben ist allerdings zunächst, dass für das sonstige, nicht sofortige Anerkenntnis ohne Klageanlass eine Regelung fehlt. Daher kann in Betracht gezogen werden, solche Anerkenntnisse als Anwendungsfall des § 162 Abs. 2 VwGO anzusehen. Die Erledigung ist aber - wie bereits erwähnt - ein eigenständiger Begriff des Prozessrechts, der gerade nicht das Anerkenntnis umfasst, das selbst ebenfalls ein eigenes Rechtsinstitut des Prozessrechts darstellt. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 161 Rn. 9 (Stand: 2014), formuliert denn auch:
"Für den Bereich des Verwaltungsprozesses gilt deshalb, dass die Hauptsache erledigt ist, wenn ein nach Klageerhebung eingetretenes außerprozessuales Ereignis dem Klagebegehren die Grundlage entzogen hat und die Klage deshalb für den Kläger gegenstandslos geworden ist. Dieser Erledigungsbegriff ist freizuhalten von Ergänzungen, die sich auf die Zulässigkeit oder Begründetheit der ursprünglichen Klage beziehen. Wird ein Anspruch erfüllt, hebt die Behörde einen angefochtenen Verwaltungsakt auf oder verstreicht der für ein Vorhaben relevante Zeitpunkt, dann ist das darauf bezogene Rechtsschutzbegehren gegenstandslos, gleichgültig, ob die Klage zuvor zulässig und begründet war. Die Klage kann jedenfalls jetzt keinen Erfolg mehr haben."
Eine solche Situation liegt nicht vor, wenn die Beendigung durch eine formale Prozesserklärung "Anerkenntnis" (bzw. dessen Annahme, § 101 Abs. 2 SGG) eintritt. Es ist dann nicht etwa so, dass die Forderung "einfach" bezahlt wird und ein Kläger wegen Erfüllung keinen Anspruch mehr hat und hierauf prozessual reagiert, sondern es erfolgt seitens eines Beklagten eine Prozesserklärung, die im Sozialprozess sogar einen eigenen Vollstreckungstitel darstellt (§ 199 Abs. 1 Nr. 3 SGG).
Auch hinsichtlich der Kostenfolge bezogen auf die Gerichtsgebühren wird in Nr. 7111 KV GKG klar differenziert: Ein angenommenes Anerkenntnis führt immer zur Reduzierung der Gerichtsgebühren, eine übereinstimmende Erledigungserklärung nur dann, wenn die sich anschließende Kostenentscheidung einer Einigung der Beteiligten folgt.
Dies alles ist Folge einer mit Recht formalisierten Dogmatik des Prozessrechts, die die Vermischung der Institute Anerkenntnis und Erledigung verbietet.
Nach alledem kam eine Entscheidung zugunsten der Beklagten nicht in Betracht.
II.
Da der Rechtss...