Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinterbliebenenrentenanspruch in der gesetzlichen Rentenversicherung für Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

Den als staatliche Aufgabe normierten besonderen Schutz der Ehe kann der Gesetzgeber durchaus als sachlichen Grund ansehen, nicht alle im einfachen Recht der Ehe und dem Tod eines Ehegatten zugeordneten Rechtsfolgen in gleicher Weise auf die Lebenspartnerschaften zwischen Personen gleichen Geschlechts zu übertragen. Der Gesetzgeber hat Art 3 Abs 1 GG nicht dadurch missachtet, dass das am 1.8.2001 in Kraft getretene Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) vom 16.2.2001 (BGBl I 2001, 266) noch nicht die Änderung/Ergänzung des § 46 SGB 6 enthält, die jetzt im zweiten Zugriff durch das seit 1.1.2005 gültige Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts (LPartÜAG) vom 15.12.2004 (BGBl I 2004, 3396) als Abs 4 dem § 46 SGB 6 hinzugefügt worden ist.

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 11.06.2010; Aktenzeichen 1 BvR 170/06)

BSG (Urteil vom 13.12.2005; Aktenzeichen B 4 RA 14/05 R)

 

Tatbestand

Der Kläger beansprucht Witwerrente aus der Versicherung des Herrn H P (geborener V), der ... 1947 geboren wurde, ab 01.03.2002 Rente wegen voller Erwerbsminderung erhielt und kurze Zeit später ... 2002 verstorben ist. Der Versicherte und der Kläger begründeten am 05.10.2001 eine Lebenspartnerschaft (Artikel 1 des Gesetzes vom 16.02.2001, Bundesgesetzblatt I/266: Lebenspartnerschaftsgesetz). Seit diesem Tage führte Herr V den Familiennamen P (Lebenspartnerschaftsurkunde und Bescheinigung über die Namensänderung vom 05.10.2001, Blatt 8 bis 9 der Rentenakte).

Am 06.09.2002 beantragte der Kläger Hinterbliebenenrente aus der Versicherung seines Lebenspartners und hob im Begleitschreiben zum ausgefüllten Antragsvordruck hervor, der Anspruch werde "unabhängig von der gegenwärtigen Rechtslage" geltend gemacht. Die BfA lehnte den Antrag vom 06.09.2002 ab (Bescheid vom 19.11.2002) und wies den Widerspruch vom 10.12.2002 zurück (Widerspruchsbescheid vom 28.02.2003). Die Bescheide führen aus, Witwer sei der überlebende Ehegatte einer Versicherten, der mit ihr bis zum Tod in rechtsgültiger Ehe verheiratet gewesen sei. Der Kläger sei nicht "Witwer" und habe deswegen keinen Anspruch auf (große) Witwerrente nach § 46 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs (Buch VI/Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI), der durch das Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften vom 16.02.2001 unverändert geblieben sei.

Hiergegen richtet sich die am 19.03.2003 eingegangene Klage mit dem Antrag (Klageschrift vom 21.08.2003),

(1)

den Bescheid vom 19.11.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 28.02.2003 aufzuheben und

(2)

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Witwerrente zu gewähren.

Zur Begründung trägt die Bevollmächtigte des Klägers vor, nach Inkrafttreten des Gesetzes vom 16.02.2001 müsse der in § 46 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB VI verwandte Begriff "Witwer" so verstanden werden, dass darunter auch der hinterbliebene Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft falle (Klageschreiben vom 03.01.2004 mit Hinweis auf das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23.10.2003 - S-27/RA-99/02 - und Klageschrift vom 04.08.2004 mit Hinweis auf die Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts Nr. 28/04 vom 29.04.2004, 6/AZR-101/03). Lasse der Wortlaut des § 46 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB VI diese Auslegung nicht zu, müssten die Vorschriften als verfassungswidrig angesehen werden. Nach allgemeiner Auffassung sei die Hinterbliebenenrente (Witwenrente und Witwerrente) ein sozialrechtlicher Ausgleich für die durch den Tod eines Ehegatten wegfallenden Unterhaltsansprüche. Das Gesetz vom 16.02.2001 begründe die wechselseitige Unterhaltspflicht der Partner während der bestehenden Lebensgemeinschaft, im Falle des Getrenntlebens und nach gerichtlicher Aufhebung der Lebenspartnerschaft (Artikel 1/§§ 5, 12, 16). Obwohl die Unterhaltspflicht zwischen Lebenspartnern der zwischen Ehegatten gleichkomme, habe es der Gesetzgeber unterlassen, § 46 SGB VI so abzuändern oder zu ergänzen, dass er eine Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Hinterbliebenenrente an den hinterbliebenen Partner (die hinterbliebene Partnerin) einer eingetragenen Lebenspartnerschaft biete. In seiner unverändert gebliebenen Fassung sei § 46 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB VI mit Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar. Nach Artikel 100 Abs. 1 Satz 1 GG müsse deswegen das Verfahren ausgesetzt und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eingeholt werden (Widerspruchsschrift vom 07.12.2002, Klageschreiben vom 21.08.2003 und 02.09.2004).

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf den Inhalt der vorgelegten Rentenakte, insbesondere die Begründung der angefochtenen Verwaltungsakte (Schriftsatz vom 23.04.2003).

 

Entscheidungsgründe

Die am 19.03.2003 innerhalb der g...

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