Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Festsetzung der Verfahrensgebühr bei einer Untätigkeitsklage
Orientierungssatz
Bei einer Untätigkeitsklage bemisst sich die Verfahrensgebühr nach Nr 3102 RVG-VV. Der Sondertatbestand der Nr 3103 RVG-VV greift nicht ein, da die Untätigkeitsklage als formelle Bescheidungsklage auf die bloße Bescheidung eines Antrags oder Widerspruchs gerichtet ist.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Festsetzung höherer außergerichtlicher Kosten nach § 197 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Nachdem sie über ihre Prozessbevollmächtigte am 06.08.2007 Untätigkeitsklage erhoben hatte, weil über einen Widerspruch vom 31.01.2007 gegen einen Bescheid vom 18.01.2007 noch keine Entscheidung erfolgt war, half die Beklagte dem Widerspruch mit Schriftsatz vom 24.09.2007 in vollem Umfange ab. Die Klägerin erklärte daraufhin den Rechtsstreit für erledigt. Die Beklagte erklärte sich bereit, die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.
Mit Kostennote vom 11.03.2008 machten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin folgende Kosten geltend:
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Geschäftsgebühr, Nr. 2400 VV (40,00 bis 520,00 €) |
240,00 € |
Verfahrensgebühr, Nr. 3103, 3102 VV (20,00 bis 320,00 €) |
170,00 € |
Einigungsgebühr, Nr. 1005, 1000 VV (40,00 bis 520,00 €) |
280,00 € |
Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen, Nr. 7002 VV |
20,00 € |
Zwischensumme |
710,00 € |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
134,90 € |
Gesamtbetrag |
844,90 € |
Unter dem 23.04.2008 teilte die Beklagte mit, sie halte die geltend gemachten Kosten für unangemessen.
Mit Beschluss vom 17.07.2008 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die der Klägerin zu erstattenden Kosten auf 410,55 € fest. Wegen Einzelheiten der Begründung wird auf den Beschluss Bezug genommen. Im Einzelnen erkannte er folgende Gebühren an:
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Widerspruchs-/Verwaltungsverfahren VV Nr. 2400 RVG |
240,00 € |
Verfahrensgebühr VV Nr. 3103 RVG |
85,00 € |
Pauschale VV Nr. 7002 RVG |
20,00 € |
19 % Umsatzsteuer VV Nr. 7008 RVG |
65,55 € |
Summe |
410,55 € |
Hiergegen richtet sich die am 04.08.2008 bei Gericht eingegangene Erinnerung der Klägerin, mit der die Klägerin geltend macht, die Verfahrensgebühr sei nach Nr. 3102 VV RVG festzusetzen. Die Vorschrift der Nr. 3103 VV RVG greife bei einer Untätigkeitsklage nicht. Dies ergebe sich aus dem Sinn und Zweck des Gebührentatbestandes der Nr. 3103 VV RVG.
Die Beklagte ist der Auffassung, die Verfahrensgebühr sei zu Recht nach Nr. 3103 VV RVG festgesetzt worden, da die Prozessbevollmächtigten bereits im Widerspruchsverfahren tätig gewesen seien. Hilfsweise wurde vorgetragen, dass die Gebühr nicht höher als 80,00 € festgesetzt werden dürfe (Hinweis auf Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 05.05.2008 - L 19 B 24/08 AS -). Die Tätigkeit der Bevollmächtigten habe sich in der Verfassung der Klageschrift und in der Erledigungserklärung erschöpft.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
Die nach § 197 Abs. 2 SGG zulässige Erinnerung ist begründet. Gegenstand der Erinnerung ist allein die Frage, ob die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 oder nach Nr. 3103 RVG festzusetzen ist.
Das Gericht vertritt hierzu die Auffassung, dass die Festsetzung nach VV Nr. 3102 RVG erfolgen muss.
Bei der Nr. 3103 VV RVG handelt es sich um einen Sondertatbestand, der dann eingreift, wenn der Rechtsanwalt in einem zeitlich früheren Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren tätig gewesen ist. Für die Anwendung dieses Sondertatbestandes ist aber nicht ausreichend, dass dem gerichtlichen Verfahren ein Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren vorausgegangen ist, sondern dem gerichtlichen Verfahren muss der gleiche Lebenssachverhalt wie in dem vorausgegangenen außergerichtlichen Verfahren zugrunde liegen. Denn der niedrigere Gebührenrahmen für die erstinstanzliche Tätigkeit wird nach dem Willen des Gesetzgebers damit gerechtfertigt, dass ein Rechtsanwalt aufgrund der durch die vorangegangene Tätigkeit im Verwaltungsverfahren erworbenen Sach- und Rechtskenntnisse im gerichtlichen Verfahren einen geringeren Aufwand hat (vgl. Bundestagsdrucksache 15/1971, Seite 212 zu Nr. 3102 und 3103; LSG Bayern, Beschluss vom 18.01.2007, L 15 B 224/06 AS KO). Der Rechtsanwalt erhält für die Tätigkeit im vorausgegangenen außergerichtlichen Verfahren eine Vergütung nach § 17 RVG, wobei der Gebührenrahmen der Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG (40,00 bis 520,00 €) höher als der der erstinstanzlichen Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG (40,00 bis 460,00 €) ist. Deshalb berücksichtigt der Gesetzgeber den Synergieeffekt bei der Bemessung der erstinstanzlichen Verfahrensgebühr gebührenmindernd. Der Eintritt einer Arbeitserleichterung kann aber nur dann angenommen werden, wenn Gegenstand des außergerichtlichen Verfahrens und des gerichtlichen Verfahrens die Abwehr oder der Erlass desselben Verwaltungsaktes ist, also der gleiche Lebenssachverhalt dem Verfahren zugrunde liegt, der die gleiche Prüfung der materiellen Rechtslage erf...