Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Verfahrens- und Terminsgebühr bei einer Untätigkeitsklage. Gebührenrahmen. Bemessung
Leitsatz (amtlich)
Bei einer Untätigkeitsklage richtet sich die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 und nicht nach Nr. 3103 VV RVG, weil diese Klage die bloße Bescheidung eines Antrages oder Widerspruches zum Ziel hat und kein Synergieeffekt vorliegt.
Die Verfahrensgebühr ist allerdings wegen des geringen Umfanges der anwaltlichen Tätigkeit auf die Hälfte der Mittelgebühr zu begrenzen.
Orientierungssatz
1. Voraussetzung für das Entstehen einer Verfahrensgebühr nach Nr 3103 RVG-VV ist, dass Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens ein Verwaltungsakt ist, der bereits Gegenstand eines Verwaltungsverfahrens und/oder Widerspruchsverfahrens war, in dem der Rechtsanwalt tätig gewesen ist. Da die Untätigkeitsklage als formelle Bescheidungsklage auf die bloße Bescheidung eines Antrags oder Widerspruchs gerichtet ist, greift der Sondertatbestand der Nr 3103 RVG-VV nicht ein (vgl BSG vom 23.8.2007 - B 4 RS 7/06 R = SozR 4-1500 § 54 Nr 11).
2. Bei einer Untätigkeitsklage sind die Verfahrens- und die Terminsgebühr auf die Hälfte der Mittelgebühr festzusetzen.
Tenor
Auf die Erinnerung des Erinnerungsführers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Gießen vom 18.07.2008 dahingehend abgeändert, dass die von der Beklagten dem Kläger zu erstattenden außergerichtlichen Kosten auf 291,55 € zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus ab dem 30.10.2007 festgesetzt werden.
Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt die Festsetzung höherer außergerichtlicher Kosten nach § 197 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Nachdem der Kläger am 16.07.2007 Untätigkeitsklage erhoben hatte, erließ die Beklagte den begehrten Widerspruchsbescheid am 18.09.2007.
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 05.10.2007 erklärte der Kläger daraufhin den Rechtsstreit für erledigt. Die Beklagte erklärte sich dem Grunde nach bereit, die im Klageverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen zu übernehmen.
Mit Kostennote vom 29.10.2007 machte der Prozessbevollmächtigte des Klägers folgende Kosten geltend:
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Mittelverfahrensgebühr Nr. 3102 VV |
€ 250,00 |
Mittelterminsgebühr Nr. 3106 Ziffer 3 VV |
€ 200,00 |
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV |
€ 20,00 |
19 % Umsatzsteuer Nr. 7008 VV |
€ 89,30 |
Gesamtsumme |
€ 559,30 |
Unter dem 11.12.2007 teilte die Beklagte mit, sie halte die geltend gemachten Kosten für unangemessen und bitte um einen Kostenfestsetzungsbeschluss. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers sei bereits im Widerspruchsverfahren tätig gewesen, so dass bei der Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG Anwendung finde. Auch sei kein Anspruch auf Erstattung der Terminsgebühr entstanden. Mit Beschluss vom 18.07.2008 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die dem Kläger zu erstattenden Kosten auf 184,45 € fest.Er begründete dies damit, die Verfahrensgebühr sei nach Nr. 3103 VV RVG auf 85,00 € festzusetzen. Gemessen an den Kriterien des § 14 RVG erscheine es angemessen und gerechtfertigt, die beantragte Mittelgebühr hier deutlich - und zwar auf ½ - abzusenken. Für die Anwendung der Nr. 3103 VV RVG sei beachtlich, dass der Prozessbevollmächtigte bereits im laufenden Widerspruchsverfahren mit Schriftsatz vom 15.05.2007 tätig gewesen sei. Die fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 Nr. 3 VV RVG werde auf 50,00 € festgesetzt. Bei einer Untätigkeitsklage sei zwar eine solche Gebühr ansetzbar, in der Regel jedoch auf ein Viertel der Mittelgebühr zu reduzieren (Hinweis auf Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 20.06.2007, S 25 AS 536/05).
Hiergegen richtet sich die am 21.08.2008 bei Gericht eingegangene Erinnerung des Klägers, mit der dieser weitere Gebühren in Höhe von 327,25 € geltend macht. Der Kläger begründet seine Erinnerung damit, die Verfahrensgebühr richte sich hier nach Nr. 3102 VV RVG. Auch die Terminsgebühr sei zu niedrig festgesetzt. Hierzu weist der Prozessbevollmächtigte auf einen Beschluss des Sozialgerichts Hildesheim vom 18.01.2007 mit dem Aktenzeichen S 12 SF 96/06 hin.Der Urkundsbeamte hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
II.
Die nach § 197 Abs. 2 SGG zulässige Erinnerung ist teilweise begründet. Sie richtet sich zum einen gegen die Festsetzung der Verfahrensgebühr in Höhe von 85,00 €, die der Urkundsbeamte nach VV Nr. 3103 RVG vorgenommen hat und zum anderen gegen die Höhe der Terminsgebühr. Das erkennende Gericht vertritt hierzu die Auffassung, dass die Verfahrensgebühr bei einer Untätigkeitsklage nach Nr. 3102 VV RVG mit einem Betrag von 125,00 € und die Terminsgebühr mit einem Betrag in Höhe von 100,00 € zu berechnen ist. Soweit der Kläger weitere Kosten erstattet haben will, ist die Erinnerung unbegründet VV Nr. 3103 RVG greift bei einer Untätigkeitsklage, wie sie hier vorliegt, nicht ein. Es handelt sich hierbei um eine Sondervorschrift. Der Gebührenrahmen der erstinstanzlichen Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG (40...