Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufskrankheit. Ermächtigungsgrundlage. haftungsausfüllende Kausalität. bandscheibenbedingte Erkrankung der Wirbelsäule. Bauhelfer
Leitsatz (amtlich)
1. Die Einführung der BK Nr 2108 ist rechtmäßig und entspricht den Voraussetzungen des § 551 Abs 1 RVO.
2. Die bei den Wirbelsäulen-Berufskrankheiten erforderliche individuelle Kausalitätsbeurteilung zwischen beruflicher Belastung und Erkrankung muß vor allem aufgrund folgender Kriterien erfolgen: 1. Die berufliche LWS-Belastung nach Art und Ausmaß sowie Eignung zur Verursachung der konkreten LWS-Erkrankung hinsichtlich Art und Ausprägung, Lokalisation und Erkrankungsverlauf. 2. Die Berücksichtigung bzw den Ausschluß anderer Ursachen wie Schadensanlagen (statistische, entzündliche, unfallbedingte), außerberufliche Wirbelsäulenbelastungen. Diese Ursachen müssen jedoch feststehen und dürfen nicht nur vermutet werden.
3. Ein Teil der verschiedentlich verwandten (Hilfs-)Kriterien (zB Schadensbild, monosegmentaler Vorfall, (nicht) altersentsprechende Wirbelsäule, Erkrankung anderer Wirbelsäulenabschnitte usw.) hält einer kritischen Überprüfung nicht stand.
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 01.11.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.04.1997 verurteilt, bei dem Kläger die Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage der Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen und ihm eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v. H. ab 01.01.1997 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung der Berufskrankheit (BK) Nr. 2108 (bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule -LWS-) beim Kläger sowie die Zahlung einer Verletztenrente.
Der 1937 geborene Kläger arbeitete zunächst nach der Schulentlassung in der elterlichen Landwirtschaft, war dann etwa ein 3/4 Jahr bei einer Baustoff-Firma beschäftigt und anschließend vom 15.05.1965 bis zum 10.12.1996 bei der Firma S, einem Mitgliedsunternehmen der Beklagten, als Bauhelfer. Aufgrund eines Bandscheibenvorfalls im Sommer 1995 mit anschließender Operation war er zunächst arbeitsunfähig, danach arbeitslos und ist mittlerweile Rentner.
Nach einer ärztlichen BK-Anzeige der Neurologischen Klinik B S vom 20.10.1995 nahm die Beklagte als zuständiger Unfallversicherungsträger ihre Ermittlungen auf und zog bei:
-Auskünfte des Klägers,
-eine Auskunft der Firma S,
-eine Stellungnahme ihres Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) vom 21.02.1995, der unter Bezugnahme auf die Belastungsdokumentation "Bauhelfer/-werker Hoch- und Tiefbau" die beruflichen Voraussetzungen für die BK Nr. 2108 beim Kläger bejahte, die für die BK Nr. 2109 verneinte,
-das Vorerkrankungsverzeichnis des Klägers von dessen Krankenkasse,
-die ärztlichen Unterlagen der behandelnden Ärzte (Neurologische Klinik B S Hausarzt Dr. M, Orthopädische Klinik B, Städtisches Klinikum Fulda, Dr. P, zum Teil mit weiteren ärztlichen Unterlagen),
-eine Stellungnahme ihres Beratungsarztes Dr. H, der ein belastungsadäquates Schadensbild verneinte,
-eine Stellungnahme des Landesgewerbearztes, der anregte, ein Gutachten einzuholen.
Mit Bescheid vom 01.11.1996 lehnte die Beklagte beim Kläger die Anerkennung einer BK Nr. 2108 ab, weil die medizinischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien, die einer BK Nr. 2109, weil die beruflichen nicht erfüllt seien.
Der hiergegen am 25.11.1996 eingelegte Widerspruch wurde nach Einholung einer Stellungnahme von Dr. K vom 26.02.1997, der ebenfalls ein typisches Schadensbild verneinte und auf konkurrierende Ursachen verwies, mit Widerspruchsbescheid vom 10.04.1997 zurückgewiesen.
Mit der am 24.04.1997 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und hat auf die von ihm verrichtete schwere Arbeit und das erstmalige ernsthafte Auftreten einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS ab Ende 1997 hingewiesen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens von Dr. B Frankfurt am Main, vom 03.12.1997, der die Voraussetzungen für eine BK Nr. 2108 vom Kläger bejaht und die Höhe dessen Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf 20 v. H. geschätzt hat.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 01.11.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.04.1997 zu verurteilen, bei ihm die BK Nr. 2108 der Anlage der Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen und ihm eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsunfähigkeit von 20 v.H. zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich vor allem auf eine Stellungnahme von Prof. H vom 03.03.1998, nach der beim Kläger ein vorrangig als nicht-berufsbedingt anzusehender monosegmentaler Bandscheibenvorfall vorliegt.
Auf den Inhalt der genannten Unterlagen im übrigen in der Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige...