Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenkassenwahlrecht des gesetzlich Pflichtversicherten bei Wechsel des zugrundeliegenden Pflichtversicherungsverhältnisses
Orientierungssatz
1. Mit dem Bezug von Leistungen nach dem SGB 2 ist der Leistungsempfänger nach § 5 Abs. 2a SGB 5 in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert. Mit dem Leistungsbezug ist er befugt, eine bestimmte Krankenkasse als gesetzliche Krankenkasse zu wählen, ohne dass es hierzu einer vorherigen ausdrücklichen Kündigung seiner bisherigen Krankenkasse bedarf.
2. Wegen der Beendigung der Mitgliedschaft des Grundsicherungsempfängers nach §§ 190 Abs. 13 i. V. m. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB 5 ist eine Kündigung der vorherigen Krankenversicherung weder notwendig noch möglich. Wird der Betreffende im unmittelbaren Anschluss an den SGB 2-Leistungsbezug versicherungspflichtig beschäftigt, so wird mit dem damit entstandenen neuen selbständigen Versicherungsverhältnis ein neues Kassenwahlrecht ausgelöst, nach dem sich künftig die Kassenzugehörigkeit richtet.
3. Hat die gewählte Krankenkasse die Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB 5 als zuständige gesetzliche Kranenkasse durchgeführt, so ist sie nach § 175 Abs. 5 SGB 5 auch zuständig für die obligatorische Weiterversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB 5.
4. Die Zahlungsverpflichtung der zuständigen Krankenkasse für stationäre Krankenhausbehandlung entsteht unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme einer Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und i. S. von § 39 Abs. 1 S. 2 SGB 5 erforderlich ist.
Nachgehend
Tenor
1. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 73.167,89 EUR zuzüglich 5% Zinsen darauf ab 7.September 2016 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin und die Beklagte zu 1) tragen je die Hälfte der Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 73.167,89 EUR festgesetzt.
Tatbestand
In Streit steht die Vergütung einer Krankenhausbehandlung im Zeitraum 5. Oktober 2012 bis 6. November 2012, wobei insbesondere zuletzt noch streitig ist, bei welcher gesetzlichen Krankenkasse der Patient im Behandlungszeitraum versichert war.
Für den von der Klägerin stationär behandelten 33jährigen Patienten bestand bis 31. Januar 2010 eine Pflichtmitgliedschaft gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V bei der Beklagten zu 2). Anschließend führte die Beklagte zu 1) vom 8. November 2010 bis 30. April 2012 ebenfalls wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld II eine Pflichtmitgliedschaft durch.
Bei Krankenhausaufnahme am 5. Oktober 2012 gab der Patient gegenüber der Klägerin an, bei der Bekl. zu 1) versichert zu sein. Im Rahmen der stationären Behandlung, die bis zu seinem Tod am 6. November 2012 andauerte, entstanden Kosten in Höhe von 73.167,89 EUR. Am 20. Februar 2013 teilte die Beklagte zu 1) der Klägerin mit, dass eine Mitgliedschaft des Patienten nur bis zum 30. April 2012 bestanden habe und wegen einer entsprechenden Abmeldung durch das Jobcenter geendet habe. Am 26. Februar 2013 übersandte die Klägerin die streitige Krankenhausrechnung an die Beklagte zu 1).
Mit Schreiben vom 22. März 2013 mahnte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Bezahlung der Rechnung an und vertrat die Auffassung, dass trotz Abmeldung des Patienten bei der Beklagten zu 1) zum 30. April 2012 nachfolgend eine Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bestanden habe, da der Patient über keinen anderweitige Versicherungsschutz verfügt habe. Weiterhin seien Verzugszinsen entsprechend der Regelungen im Landesvertrag sowie außergerichtliche Kosten für das Mahnschreiben in Höhe von 2.165,80 EUR zu bezahlen. Es wurde eine Zahlungsfrist bis 28. März 2013 eingeräumt.
Nachdem keine Zahlung erfolgte hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 12. April 2013 Klage erhoben. Die Hauptforderung sei begründet, da der Patient unstreitig im Zeitraum 8. November 2010 bis 30. April 2012 bei der Beklagte zu 1) versichert gewesen sei und damit nachfolgend gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V eine Pflichtversicherung bei der Beklagten zu 1) bestanden habe; der Patient habe über keinen anderweitigen Versicherungsschutz verfügt. Im Übrigen befinde sich die Beklagte zu 1) auch in Verzug wegen der eindeutigen Erklärung keine Zahlungen vornehmen zu wollen, so dass auch der Verzugsschaden zu übernehmen sei. Die hierzu im Landesvertrag getroffenen Regelungen seien unerheblich.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,
die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an die Klägerin 73.167,89 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.02.2013 sowie weitere 2.165,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.03.2013 zu zahlen.
Die Beklagte zu 1) beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie habe zwar auf Grund einer entsprechenden Anmeldung des Jobcenters im Zeitraum 8. November 2010 bis 30. April 2012 eine Pflichtversicherung für den Patiente...