Entscheidungsstichwort (Thema)

Heilung einer formunwirksamen Ehe, die vor einem Rabiner geschlossen wurde

 

Leitsatz (amtlich)

Eine formunwirksame Ehe kann durch Wechsel der Staatsangehörigkeit geheilt werden. Dies gilt insbesondere für eine vor einem Rabiner geschlossene Ehe.

 

Tenor

Der Bescheid vom 22.01.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.04.2003 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen einen Rücknahmebescheid der Beklagten, mit dem ihr die bereits bewilligte Witwenrente für die Zukunft entzogen wurde. Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob zwischen der Klägerin und dem am … 1996 verstorbenen H. R. (im Folgenden: Versicherter) eine wirksame Ehe bestand.

Die am …1932 geborene Klägerin und der am …1919 in Polen geborene Versicherte waren polnische Staatsangehörige. Beide wurden am …1949 in Lodz durch einen Rabbiner getraut. Nach Angaben der Klägerin sei am …1949 die standesamtliche Trauung in Lodz erfolgt.

Im Jahr 1950 wanderten beide nach Israel aus, wo sie die israelitische Staatsangehörigkeit erhielten. 1955 siedelten sie in die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) und erwarben die amerikanische Staatsangehörigkeit. Dort wurde am …1956 die gemeinsame Tochter geboren. Die Klägerin und der Versicherte lebten bis zu seinem Tod in einem gemeinsamen Haushalt. Die Klägerin bezieht aus der amerikanischen Sozialversicherung eine zusammengefasste Versicherten- und Hinterbliebenenrente.

Am 29.08.2001 beantragte die Klägerin die Zahlung einer Witwenrente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung bei der Beklagten. Mit Bescheid vom 17.09.2001 wurde ihr die Leistung unter Vorbehalt bewilligt. Es wurde noch die Übersendung einer gültigen standesamtlichen Heiratsurkunde erbeten.

Die Klägerin äußerte sich mit Schreiben vom 31.10.2001 dahingehend, dass die jüdische Trauung durch den Rabbiner stets als rechtsgültige Eheschließung anerkannt worden sei. Die Klägerin fügte Kopien von Unterlagen bei, die ihrer Ansicht nach geeignet seien, ihre Witweneigenschaft nachzuweisen. Beigefügt waren eine traditionelle jüdische Heiratsurkunde, die israelitischen und amerikanischen Reisepässe der Klägerin und des Versicherten, sowie beide amerikanischen Einbürgerungsurkunden, in denen der jeweilige Familienstand mit „verheiratet” vermerkt war. In der Kopie der Geburtsurkunde ihrer Tochter wurde die Klägerin unter ihrem Mädchennamen als Mutter und der Versicherte als Vater eingetragen.

Die Beklagte ermittelte beim Standesamt in Lodz, ob eine Eintragung der kirchlichen Trauung erfolgt sei. Ergebnis der Anfrage war die Auskunft des Standesamtes, dass eine Heiratsurkunde im Archiv des Standesbeamten in Lodz nicht vorhanden sei.

Mit Anhörungsschreiben vom 06.11.2002 führte die Beklagte aus, dass zwischen der Klägerin und dem Versicherten keine rechtsgültig geschlossene Ehe bestanden habe. Nach internationalem Privatrecht seien die polnischen Formvorschriften für die Eheschließung zugrunde zu legen. Nach dem damaligen Eherecht in Polen sei eine kanonisch geschlossene Ehe verboten gewesen und eine rechtsgültige Eheschließung vor einem Standesbeamten sei nicht festzustellen.

Die Klägerin äußerte sich unter Berufung auf ihr bisheriges Vorbringen und reichte ergänzend eine eidesstattliche Versicherung des Zeugen R1 R2 vom 23.12.2002 ein. Darin bestätigte der Zeuge bei der Hochzeitszeremonie der Klägerin und des Versicherten anwesend gewesen zu seien, wobei die Zeremonie vor dem Standesbeamten durchgeführt worden sei. Die Klägerin erklärte weiter, sie habe die Heiratsurkunde der standesamtlichen Trauung verloren.

Die Beklagte hob mit Bescheid vom 22.01.2003 die Rentenbewilligung auf und wiederholte zur Begründung ihr Vorbringen aus dem Anhörungsschreiben. Die Ermessensausübung begründete sie mit der Rücknahme der Bewilligung nur für die Zukunft.

Den am 29.01.2003 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.04.2003 zurück und führte ergänzend aus, dass von den Standesämtern in Polen für die Zeit 1949 Personenstandsurkunden vollständig archiviert worden seien. Zeugenaussagen über eine standesamtliche Eheschließung seien daher nicht ausreichend.

Die Klägerin hat am 28.04.2003 Klage erhoben und beruft sich im Wesentlichen auf ihr bisheriges Vorbringen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Bescheid vom 22.01.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.04.2003 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide und hält diese für rechtmäßig.

Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes die Sachakten der Beklagten beigezogen und beim Standesamt in Lodz angefragt, ob Unterlagen über die Eheschließung der Klägerin und des Versicherten vom …1949 dort vorliegen. Das Standesamt in Lodz hat mitgeteilt, dass eine Heiratsurkunde der Klägerin und des Versicherten vom …1949 nicht registriert sei.

Das Gericht hat mit einem Vertreter der Beklagten am 01.10.2004...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?