Tenor
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 16.4.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.2.2021 verurteilt, der klagenden Person die Kosten der zwischen dem 23.9.2020 und dem 28.9.2020 erfolgten Mastektomie und Hysterektomie sowie der erforderlichen Wundversorgung in Höhe von insgesamt 8.676,75 € zu erstatten.
2. Die Beklagte erstattet die notwendigen außergerichtlichen Kosten der klagenden Person.
Tatbestand
Die klagende Person begehrt die Erstattung der Kosten für eine geschlechtsangleichende Operation (Mastektomie und Hysterektomie) bei nicht-binärer Geschlechtsidentität, nachdem die beklagte Krankenkasse die Kostenübernahme abgelehnt und die klagende Person die Maßnahme auf eigene Kosten durchgeführt hat.
Die klagende Person stellte am 6.3.2020 einen Antrag bei der Beklagten auf Kostenübernahme für die Durchführung einer Mastektomie (hier: Entfernung der weiblichen Brüste) und Hysterektomie (Entfernung der Gebärmutter). Mit Schreiben vom 16.3.2020 teilte die Beklagte der klagenden Person mit, es würde noch eine Reihe von Unterlagen benötigt (eigener biografischer Bericht zum transsexuellen Werdegang; bisherige Behandlungsmaßnahmen mit der Alltagserprobung sowie zur aktuellen Lebenssituation im Hinblick auf Familie/Partnerschaft/Wohnen/Schule/Beruf und Arbeit, Freundes- und Bekanntenkreis, Freizeit und Hobbys; beide Gerichtsgutachten, sofern bereits eine gerichtliche Vornamensänderung nach dem Transsexuellengesetz durchgeführt wurde; fachärztliche Befunde je nach beantragter Leistung; psychiatrischer/psychotherapeutischer Behandlungs- bzw. Verlaufsbericht gemäß inhaltlichen Begutachtungskriterien). Die Beklagte bat um Zusendung der Unterlagen bis zum 14.4.2020 und teilte mit, dass eine Entscheidung bis zum 21.4.2020 getroffen werden würde, sofern keine Unterlagen eingereicht würden. Mit Schreiben vom 9.4.2020 reichte die klagende Person ein ärztliches Attest von Prof. Dr. S. (Krankenhaus R.) vom 18.6.2019 ein. In dem Attest wird unter der Diagnose „Transsexualität (Frau zu Mann)“ über ein intensives Aufklärungsgespräch über mögliche operative Maßnahmen im Rahmen der Transformation berichtet. Weiter legte die klagende Person ein Schreiben zur Behandlungsempfehlung des psychologischen Psychotherapeuten S1 vom 8.4.2020 vor. In dem Schreiben legt der psychologische Psychotherapeut dar, im Rahmen einer Behandlung seit dem 21.1.2019 habe bei der klagenden Person die Diagnose F64.0 Transsexualität (bzw. Geschlechtsinkongruenz nach ICD-11) gründlich differenzialdiagnostisch untersucht und gesichert werden können. Es hätten sich keinerlei Hinweise auf psychotisches Geschehen oder dissoziative Identitätsstörungen ergeben. Der Leidensdruck der klagenden Person vor dem Hintergrund der Diskrepanz zwischen Gender und Zuweisungsgeschlecht sowie die daraus resultierenden Belastungen im sozialen Kontext seien im Laufe des Therapieprozesses konstant deutlich gewesen. Die klagende Person sei sehr gut über die Diagnose und alternative Therapiemethoden informiert und antizipiere eine körpermodifizierende Behandlung in Form von Mastektomie und Hysterektomie. Dieser Aspekt sei am Anfang des Therapieprozesses von der klagenden Person transparent benannt worden und habe somit gründlich reflektiert werden können. Aus psychotherapeutischer Sicht bestehe die Indikation für die körpermodifizierenden Behandlungen Mastektomie und Hysterektomie.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 16.4.2020 ab. Die vorgelegten Unterlagen seien für eine Vorlage des Antrags beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung unzureichend. Daher könnten keine Kosten übernommen werden. Bei Vorlage der im Schreiben vom 16.3.2020 aufgeführten Unterlagen sei die Beklagte zu weiterer Prüfung bereit.
Die klagende Person erhob mit Schreiben vom 8.5.2020 Widerspruch. Der Widerspruch wurde mit Schreiben vom 31.8.2020 begründet. Die beantragten Behandlungen stünden der klagenden Person gemäß § 27 und § 39 SGB V zu. Fachkundiges medizinisches Personal habe in den vorgelegten Unterlagen sowohl aus somatischer wie aus psychologischer Sicht bestätigt, dass die beantragten Maßnahmen notwendig seien. Weitere Therapiesitzungen würden keine grundsätzliche Änderung hinsichtlich der Geschlechtsdysphorie herbeiführen, was auch durch den Therapeuten bestätigt werde. Die Vornamens- und Personenstandsänderung (divers) sei bereits vor über einem Jahr erfolgt. Vor diesem Hintergrund sei auf eine lückenlos nachgewiesene Alltagserprobung zu verzichten, zumal der vorgelegte Lebensbericht einen eindrücklichen Einblick in die Alltagserprobung seit Kindestagen gebe. Eine Hormontherapie könne nicht als Voraussetzung gefordert werden. Eine solche werde von der klagenden Person abgelehnt. Es solle keine Angleichung an das männliche Geschlecht erfolgen. Die klagende Person sei nicht-binär, habe also eine Geschlechtsidentität, die weder männlich noch weiblich sei. Eine begleitende Hormontherapie sei auch nicht erforderlich, was sich aus dem Attest der behandelnde...