Entscheidungsstichwort (Thema)
Künstlersozialversicherungspflicht. Kinderunterhaltungskünstlerin im Rahmen von Motto-Geburtstagsparties. künstlerische Tätigkeit. Unterhaltungskunst. darstellende Kunst
Leitsatz (amtlich)
1. Kinderanimation im Rahmen von sog Motto-Geburtstagsparties kann im Einzelfall als künstlerische Tätigkeit nach § 1 KSVG bewertet werden.
2. Voraussetzung für die Einordnung der Tätigkeit der Kinderanimateurin als künstlerisch ist, dass Elemente des Katalogberufs des Schauspielers sowie des Sprechers aus dem Bereich "Darstellende Kunst" und der Unterhaltungskunst überwiegen.
3. Sofern Kinderanimation als Gesamtpaket angeboten wird, kommt es entscheidend auf den Charakter des Gesamtwerks an.
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 12.12.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.04.2015 wird aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, dass die Klägerin in ihrer Tätigkeit als Kinderunterhaltungskünstlerin bei der Beklagten seit dem 26.08.2014 gemäß den Vorschriften der Künstlersozialversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung sowie in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert ist.
3. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Versicherungspflicht der Klägerin nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) streitig.
Die 1978 geborene Klägerin betreibt seit März 2014 in Hamburg die Firma D. mit der sie Kinderanimationsprogramme überwiegend für Kindergeburtstage anbietet.
Am 26.08.2014 beantragte die sie die Feststellung der Versicherungspflicht nach dem KSVG. Im Fragebogen der Beklagten zur Feststellung der Versicherungspflicht gab sie an, als Einzelunternehmerin eine künstlerische Tätigkeit im Bereich der Musik als Unterhaltungskünstlerin sowie als Unterhaltungskünstlerin (Kinderanimation) im Bereich der darstellenden Kunst auszuüben. Im laufenden Jahr erziele sie voraussichtlich Einkünfte in Höhe von 2.000,- €. Auf die Bitte der Beklagten, ihre entsprechende Tätigkeit nachzuweisen ergänzte sie, dass von ihrer Tätigkeit ca. 90 vom Hundert (v.H.) auf die Tätigkeit als Unterhaltungskünstlerin und 10 v.H. auf die als Geschäftsführerin entfielen. Des Weiteren legte die Klägerin einen Flyer vor, in dem es u.a. heißt: “Wir bieten Ihnen tolle Prinzessinnen-, Superhelden- und Piraten-Charaktere für Kindergeburtstage und Veranstaltungen an. Wählen Sie selbst: Charakter+Animationsprogramm=Eine perfekte Mottoparty- Geburtstagspakete ab 99.- €„. Beigefügt waren Buchungsbelege, die Kopie eines F.-Eintrags und Kopien aus der Webseite http://. Hieraus geht hervor, dass von der Klägerin Pakete angeboten werden, die u.a. die Übergabe eines kleinen Geburtstagsgeschenkes, Autogrammkarten, Kinderschminken und eine Fotozeit enthalten. Zur weiteren Erklärung führte die Klägerin aus, dass sich ihre Tätigkeit aus den Komponenten interaktive Märchenzeit (Märchenerzähler), Kinderschminken, Luftballon-Modellage, Gesang und Tanz zusammensetze. Der gesamte Auftritt erfolge mit Kostümierung in der jeweiligen Charakterrolle, wobei sämtliche Tätigkeiten in der jeweiligen Rolle durchgeführt würden.
Mit Bescheid vom 12.12.2014 lehnte die Beklagte die Feststellung der Versicherungspflicht nach dem KSVG mit der Begründung ab, die Tätigkeit der Klägerin könne nicht als künstlerisch im Sinne des Gesetzes angesehen werden. Die Tätigkeit der Kinderanimation sei weder der klassischen Bühnenkunst, die üblicherweise im Theater, Film, Fernsehen oder Kabarett dargeboten werde, noch dem Bereich der Zirkus- und Varieté zuzurechnen. Trotz ihres unterhaltenden Charakters handele es sich nicht um darstellende Kunst im Sinne von § 2 KSVG.
Den Widerspruch der Klägerin vom 05.01.2015, in dem es heißt, bei der Darstellung von Märchenfiguren vor Publikum handele es sich um Schauspielkunst, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.04.2015 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, eine Tätigkeit könne nur dann als Unterhaltungskunst im Sinne des KSVG anerkannt werden, wenn eine freie schöpferische Gestaltung der Darbietung erkennbar sei, und wenn die Akteure zumindest selbst einen künstlerischen Anspruch für ihre Tätigkeit erhöben. Der Anwendungsbereich des KSVG beschränke sich jedoch nach der Verkehrsauffassung und der historischen Entwicklung auf diejenige Unterhaltungskunst bzw. Artistik, die in Varietés (einschließlich Revuen) und Zirkussen angeboten werde. Dieser Bereich lasse sich unter dem Begriff “Kleinkunst„ einordnen. Darunter fielen z.B. Jongleure, Trapezkünstler, Seiltänzer, Zauberer, Magiere, Dompteure, Akrobaten, Feuerschlucker, Entfesselungskünstler, Messerwerfer, Clowns, Rechenkünstler und Bauchredner. Darbietungen, die bei Sportveranstaltungen, auf Jahrmärkten oder Volksfesten aufgeführt bzw. Auftritte, bei Veranstaltungen, bei denen Sensationen dargeboten würden, zählten nicht zur Unterhaltungskunst. Künstlerische Elemente wie z.B. Zauberei, Gesang und Auftritte als Clown hätten im Verhältnis zum gesamten Aufgabenber...